Asche und Schwert
Ton.
»Natürlich indem man erst dann so handelt, wenn der Sklave in der Lage ist, seinen Beitrag für die römische Gesellschaft zu leisten. Welchen Sinn hätte es, das Halseisen eines Sklaven zu lösen, wenn aus ihm danach nur ein Bettler wird? Ich habe nicht die Absicht, die Reihen derer, die von mildtätigen Getreidegaben abhängig sind, um einen neuen Hungernden zu erweitern oder dem grölenden Pöbel in der Arena eine weitere Stimme hinzuzufügen. So ein Verhalten ist verantwortungslos. Sollte Tiro jemals seine Freiheit erlangen, würde ich mir wünschen, dass aus ihm ein nützlicher Bürger wird. Wir werden sehen. Wir sind in dieser Lage durch das Bemühen vieler Generationen unserer Vorfahren, die wir selbst nicht einmal mit Namen kennen. Alles begann für uns an dem Tag, an dem ein vergessener UrurgroÃvater als Bauer seine Felder mit gröÃerem Eifer bestellte, als er musste, um später mit einer reicheren Ernte mehr Land zu kaufen. Gleichgültig, was die Priester auch immer sagen mögen, wir sind nicht nur durch die Laune der Götter hier. Begebt Euch in das Zentrum Eures Hauses, und betrachtet den kleinen Schrein. Was seht Ihr da? Etwa einen Spiegel, der Euch sagt, Ihr seid die Achse Eurer Welt? Nein, Ihr seht Eure Hausgötter. Ihr seht die symbolischen Statuen und die imagines Eurer unüberschaubaren Zahl von Vorfahren, Ihr seht Eure Familie, die in die tiefste Vergangenheit zurückreicht.«
»So redet ein Emporkömmling, aber kein Patrizier«, sagte Verres und machte eine wegwischende Geste.
»Wir alle waren einst Emporkömmlinge. Vielleicht nicht in dieser Generation, aber irgendwann in der Vergangenheit. Wir entsprangen nicht voll ausgeformt der Stirn Jupiters. Nur ein Narr verzichtet darauf, seinen Vater und seine Mutter zu ehren â oder deren Väter und Mütter sowie alle anderen Vorfahren.«
»Wo soll das alles enden? Glaubt Ihr wirklich, dass irgendwann einmal Legionen von germanischen Generälen angeführt werden? Oder dass Rom von einem Afrikaner regiert wird?«
Seine Bemerkung lieà einige Zuhörer leise kichern.
»Warum nicht?«
»Lächerlich! Aberwitzig!«
»Warum? Noch vor einer Generation galt es als lächerlich, dass Männer aus Capua vollwertige Bürger Roms sein könnten. Wenn Rom so groà wird, dass auch Neapolitaner, die dessen würdig sind, römische Bürger werden können â und das sind immerhin Männer, die ursprünglich von Griechen abstammen â, warum sollte das dann nicht auch für die Bewohner anderer Provinzen gelten?«
»Warum nicht auch für Frauen?«, rief eine Stimme.
»Warum nicht auch für Hunde?«, grölte ein Mann aus der Menge.
»Warum nicht auch für Asseln?«, fügte Verres unter dröhnendem Gelächter hinzu.
»Mein Pferd könnte Konsul sein«, schrie ein Mann von der Seite, was noch mehr Gelächter auslöste.
»Was soll diese Sophisterei?«, sagte Cicero. »Ich spreche über eine ernsthafte, intelligente Frage, und Ihr stürzt Euch darauf wie ein Haufen oskische Narren.«
»Ein Gladiator mag die rudis erringen«, warf Batiatus ein.
»Durchaus!«, sagte Cicero. »Mein guter Freund Batiatus hat mich über diese Dinge aufgeklärt. Ein Gladiator kämpft um sein Leben, aber auch für sein Leben. Es kann sein, dass er so groÃe Tapferkeit beweist und so erstaunliche Siege erringt, dass ihm die Freiheit geschenkt wird und er die Erlaubnis erhält, den ludus zu verlassen. Was sollte einen Gladiator â oder vielleicht seinen frei geborenen Sohn â dann noch aufhalten, in die römische Armee einzutreten und den Rang eines Centurios oder eines Tribuns zu erringen? Was sollte diesen Mann daran hindern, Bauer zu werden und sein Leben mit ehrlicher Arbeit zuzubringen? Um dann denselben ehrenhaften Weg einzuschlagen, der für die Männer aus Patrizierfamilien vorgesehen ist?«
»Obwohl«, unterbrach ihn Verres, »sein brutaler Charakter ebenso dafür sorgen kann, dass er als Bauer scheitert. Seine nicht zu bändigende Wesensart mag ihn dazu bringen, die Armee zu verlassen. Er selbst oder sein hypothetischer frei geborener Sohn könnte sich zum Verbrechen hingezogen fühlen, könnte den Weg eines Diebs und Räubers einschlagen. Es könnte sein, dass bereits innerhalb einer einzigen Generation Euer frei geborener
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