Asche und Schwert
und jemand warf ein Apfelgehäuse nach ihm. Das Wurfgeschoss prallte auf lächerliche Weise an seinem Kopf ab, und in gespielter Verwirrung sah der Fährmann stumm zuerst nach rechts und links und dann nach hinten.
Charon verrichtete keine niederen Arbeiten. Sein Auftritt war nur das Zeichen für das Erscheinen seiner Untergebenen, der Sklaven, die die Arena reinigten. Mit raschen Schritten betraten sie das Amphitheater, um die Toten und Sterbenden wegzuschaffen. Noch während der Fährmann des Styx die Menge reizte und, getroffen von Obstresten, seine Possen vollführte, zogen seine Helfer einen Karren in die Mitte der Arena und schleuderten gleichermaÃen die Leichen und die Kadaver von Mensch und Tier darauf: einige Löwen, eine groÃe Menge Kaninchen und die sterblichen Ãberreste mehrerer Menschen. Das tote Pferd war zu schwer, um aufgeladen zu werden, weswegen es rasch mit Ketten umwickelt, an den Karren gebunden und aus der Arena geschleift wurde.
Ein zweiter Karren, der von einem Paar bulliger Sklaven gezogen wurde, drehte in einem flotten Trab von der Mitte der Arena aus immer gröÃere Runden nach auÃen, zum Rand der Arena hin. Er war mit frischem Sand gefüllt, der über die feuchten, klebrigen Spuren der bisherigen Kämpfe gestreut wurde. Dieses Treiben hatte auch einen künstlerischen Aspekt: Der neue Sand war hell â ein von der Sonne ausgebleichtes Gelb â und hob sich so von der stumpf- grauen Asche ab, die er bedeckte. Als der Karren schlieÃlich den Rand der Arena erreichte, wartete dort bereits Charon.
Der Fährmann sprang auf, schüttelte seinen Stab in gespieltem Zorn vor den Gesichtern der Menge und deutete auf einige unglückliche Zuschauer, als wolle er sagen, sie seien die nächsten, die die Reise in seinem Boot antreten würden. Der Karren rollte aus der Arena und hinterlieà einen Kampfplatz, der mit einem breiten Wirbelmuster aus hellem Sand bedeckt war, von dem sich die Asche als dunkle Spirale abhob.
»Ein angenehmer Effekt«, sagte Cicero, während er den neuen Sand in der Arena musterte. »Er ähnelt der Form eines Schneckenhauses.«
»Das wird nicht lange so bleiben«, sagte Batiatus stirnrunzelnd. »Der erste Tritt eines Gladiators wird die Wirkung zunichte machen.«
»Bis dahin werden sich ohnehin alle Blicke auf die Kämpfer richten«, sagte Verres abschätzig. »SchlieÃlich steht heute nur noch der Gladiatorenkampf aus.«
»Vielleicht seid Ihr ein geschickterer Veranstalter solcher Spiele, als Ihr selbst behauptet«, sagte Batiatus groÃmütig. In einer entschuldigenden Geste stieà er seinen Kelch gegen den von Verres.
»Das ist nicht unser Verdienst«, sagte Timarchides. »Pelorus selbst hat das auf den Weg gebracht, als er mit den lanistae in der neuen Kolonie Karthagos Geschäfte zu machen begann.«
»Geschäfte? Mit welchen Waren?«, fragte Batiatus.
»Sand«, erwiderte Timarchides.
Auf dem Balkon erklang vereinzeltes Gekicher, als die Würdenträger hörten, wovon die Rede war.
»Wirklich?«, fragte Cicero. »Dieser Pelorus hat den Afrikanern Sand verkauft?«
»Genau genommen«, erklärte Timarchides, »hat Pelorus mehrere Wagenladungen neapolitanischer Asche verschifft, die bei Getreidelieferungen als Ballast dienten. Für die Rückfahrt bat er um dieselbe Menge an afrikanischem Sand.«
Aus allen Kehlen erklang ein verständnisvolles Seufzen.
»Dadurch wurde ein solcher Effekt in beiden Arenen möglich. Karthago bekommt eine neue Farbe und Neapel ebenso«, sagte Cicero anerkennend.
»Bester Cicero«, sagte Batiatus lachend, »Ihr scheint Euch eher um die Ãsthetik eines gepflegten Sandbodens zu kümmern als um die Kämpfe.«
Cicero zuckte mit den Schultern. »Seid Ihr überrascht?«, sagte er lächelnd.
»Alles ist Teil des groÃen Dramas«, erwiderte Batiatus.
»Wenn Ihr ein Drama wollt, geht ins Theater!«, verkündete Verres.
»Ein Theater ist ein Halbkreis«, beschwerte sich Batiatus. »Die Menge sitzt um die Bühne herum und sieht zu, wie sich die Geschichte entwickelt. Aber in einem Amphitheater entfaltet sich das Drama in der Mitte eines Kreises. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten, keine Gelegenheit für versteckte Ãberraschungen. Das Publikum wird Zeuge des allerwirklichsten und eindringlichsten Dramas überhaupt â des
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