Aschebraut (German Edition)
Kohlezeichnungen von Joan Crawford, die ich im Abendkurs gemalt habe, und frage mich, ob du sie dir vielleicht mal ansehen kannst, um mir zu sagen, was du davon hältst.«
»Sicher, warum nicht.«
Während Kevin einen Skizzenblock von seinem Schreibtisch nahm und von Maya wissen wollte: »Wie findest du das hier? Habe ich die Brauen richtig hinbekommen?«, kehrte Brenna ins Foyer zurück, schloss die Augen und hoffte, trotz der Ablenkung bekäme sie den Anruf hin.
Was sie vorhin zu Trent gesagt hatte, war wahr. Die Welt war überraschend klein, doch das konnte man nur sehen – und sich zunutze machen –, wenn man nie auch nur die allerkleinste Kleinigkeit vergaß.
Jetzt erzählte Kevin Maya, dass er sich bemüht hatte, Joans ruhige Stärke darzustellen, von der er in Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen derart in den Bann gezogen worden war. Brenna atmete tief durch und verdrängte das Gespräch und sämtliche Gedanken an Diandra, Errol, Trent. Und Clea. Warum hatte sie behauptet, dass sie Clea hieß? Verdrängte die Erinnerung an Errols letzten Telefonanruf bei ihr – den letzten Anruf seines Lebens – und an seine gutgelaunte Stimme ( Tschüsschen! ), als er von ihr hatte wissen wollen, ob sich Gary Freemans Frau bei ihr gemeldet hätte. Weshalb hätte Garys Frau sich bei mir melden sollen? Verdrängte den Gedanken an die panische Diandra, die in ihren pinkfarbenen High Heels durch Trents Wohnungstür gestolpert war und sich bei dem Gespräch mit ihr die Haare in die Stirn gezogen hatte. Warum hat sie ihr Gesicht vor mir versteckt?
Sie verdrängte Kevins Stimme sowie all diese Gedanken, um sich ganz auf einen Tag im Jahr 2006 zu konzentrieren, auf den 10. Juni, an dem eine ehemalige Studentin namens Kara Wheeler, die sich als Marjorie Morningstar prostituiert hatte, tot aufgefunden worden war. Karas Eltern hatten Brenna angeheuert, herauszufinden, was aus ihr geworden war. Sie war am Tatort unerwünscht gewesen und hatte sich deshalb nur kurz in der kleinen Ein-Zimmer-Wohnung aufgehalten, hatte aber trotzdem jede Einzelheit ihres Besuchs im Kopf. Die Hitze in dem fahrstuhllosen Haus in der Lower East Side, in dem die erwürgte Kara aufgefunden worden war, den durchdringenden Geruch des Todes in dem winzigen Apartment und den pummeligen Typen von der Spurensicherung, von dem sie beinahe umgestoßen worden war. Wäre es etwa zu viel verlangt, ein bisschen aufzupassen? , hatte sie erbost gedacht, während sein Handy auf den Flurboden gefallen und klappernd die Treppe hinuntergepurzelt war …
Brenna hebt das Handy auf und denkt : Ich sollte mir die Mühe sparen, es dem blöden Kerl zu bringen. Doch obwohl ihr der Geruch die Kehle zuschnürt und ihr Tränen in die Augen treibt, will sie noch einmal in die Wohnung gehen. Im selben Augenblick beginnt das Handy zu vibrieren, und zugleich ertönt die Titelmelodie von L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn . Sie verdreht die Augen. Einen dämlicheren Klingelton gibt es für einen Kriminaltechniker sicher nicht.
Sie klappt das Handy auf und meldet sich. »Ja, hallo?«
»Hallo«, sagt eine Frauenstimme. »Wer sind Sie?«
»Ich habe dieses Handy gerade aufgehoben, ich …«
»Ich muss mit Mark sprechen.«
»Wir sind hier an einem Tatort, Ma’am.«
»Hören Sie zu. Sagen Sie Mark, dass Nora angerufen hat. Haben Sie verstanden? Bitte richten Sie ihm aus, dass ich Gracie heute nicht von der Schule abholen kann. Mark Juniors Fußballtraining wurde abgesagt, und ich muss ihn abholen. Deshalb muss er zu Gracies Schule fahren. Haben Sie mich verstanden? Ich kann Sie nicht mehr hören. Die Verbindung ist …«
Das ist das Ende des Gesprächs.
Brenna klappt das Handy wieder zu und will Marks Namen rufen, hält dann aber inne und ruft kurzerhand die Nummer von Marks Handy auf. Sie starrt die Nummer mehrere Sekunden an und prägt sie sich für alle Fälle ein. Denn schließlich weiß man nie, wann man so was vielleicht mal braucht …
»Vor vier mal zwanzig und sieben Jahren«, wisperte sie jetzt. Der Todesgeruch verflog und wurde durch den (unwesentlich) dezenteren Kiefer-Schwefel-Geruch im Hotelfoyer ersetzt.
»Ich weiß nicht«, sagte Maya. »Vielleicht könnten Sie … ich weiß nicht … diese Kanten etwas weicher machen, damit sie nicht so zweidimensional aussieht?«
Brenna gab Marks Nummer in ihr eigenes Handy ein und drückte den grünen Knopf mit dem Gedanken Hoffentlich hat er die Nummer noch . Es würde sicher etwas knifflig werden, doch solange sie
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