Aschebraut (German Edition)
kehrt und gab dem Mann die Hand. »Können Sie sich noch an mich erinnern, Mr Wiggins? Ich war heute Morgen schon mal hier.«
Er sah sie lächelnd an. »Barbara Stanwyck.«
»Wer?«, fragte Maya.
»Das hier ist meine Tochter Maya«, stellte Brenna sie ihm vor.
Kevin sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Oh … wir sind nicht gerade das, was man als Familienhotel bezeichnet.«
»Nein, nein«, erklärte Brenna hastig. »Maya ist nur hier, weil sie mir helfen soll.«
Maya, die eher wortkarg war, wenn sie auf fremde Menschen traf – vor allem auf ältliche Portiers mit riesengroßen Poren, fetttriefenden Strähnen auf dem Kopf und drahtig-dunklen Haaren in der Nase und den Ohren –, sagte keinen Ton. Trotzdem fand es Brenna tröstlich, dass sie in der Nähe war – denn es erinnerte sie an den Grund ihres Besuchs.
»Ehe wir beginnen, möchte ich eins klarstellen.«
»Ja?«
»Als Sie mir von der Frau erzählt haben, die letzte Nacht bei Mr Ludlow war … haben Sie sich doch keinen Scherz mit mir erlaubt, oder?«
Er runzelte so sehr die Stirn, dass Brenna die Befürchtung hatte, dass er einen Krampf bekam. »Natürlich nicht.«
Sie war froh, dass sie gefragt hatte – denn sie war praktisch sicher, dass die Antwort nicht gelogen war. Trotzdem sah sie Maya nochmals fragend an. »Ist das für dich okay?«
Die Tochter verdrehte die Augen. »Ja, Mutter, es ist für mich okay.«
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und wandte sich dann wieder Kevin Wiggins zu. »Maya ist Phantombildzeichnerin.«
»Ist sie für einen solchen Job nicht noch ein bisschen jung?«
»Nein, nein. Was ich meine, ist, dass sie jetzt für mich ein Phantombild zeichnen wird. Das heißt, wenn es Ihnen nichts ausmacht, die Frau zu beschreiben, die bei Mr Ludlow war.«
Er hob überrascht die Brauen. »Ist das Ihr Ernst?«
»Ich weiß, das klingt wahrscheinlich ziemlich seltsam«, gab sie zu. »Aber Mr Ludlow war Privatdetektiv, und ich habe mit ihm zusammen an einem Fall gearbeitet und gehe davon aus, dass diese Frau, die Sie gesehen haben, vielleicht darin verwickelt ist.«
»In diesen Fall?«
»Genau.«
Er brach in wieherndes Gelächter aus.
»Ich meine es ernst.«
Kevin schob sich so dicht an sie heran, dass ihr der Geruch von Wundsalbe entgegenschlug. »Okay, hören Sie zu. Auch wenn Ihre Tochter das vielleicht nicht hören sollte, aber ich bin mir so gut wie sicher, dass die zwei sich gar nicht kannten. Ich meine, außer im biblischen Sinn. Wenn Sie wissen, was ich damit sagen will.«
Maya verzog schmerzlich das Gesicht, und Brenna legte ihr einen Arm um die Schultern, blickte aber weiter Kevin an. »Und weshalb glauben Sie das?«
»Sie war genau eine Stunde hier. Keine Minute mehr und keine weniger«, antwortete er. »Und persönliche Freunde schauen bestimmt nicht derart genau auf die Uhr.«
»Trotzdem würde ich gern wissen, wie sie ausgesehen hat.«
Er runzelte erneut die Stirn. »Wie war noch mal Ihr Name? Und was ist das für ein Fall, an dem Sie arbeiten?«
Brenna öffnete den Mund, um es ihm zu erklären, als mit einem Mal ihr Blick über Kevins Schulter auf die offene Tür hinter dem Empfangstisch fiel. Ein altes Filmplakat hing an der Wand des kleinen Raums. Irgendetwas mit James Cagney in der Hauptrolle.
Sie blickte wieder Kevin an und fragte mit ihrem besten, etwas schiefen Barbara-Stanwyck-Lächeln: »Was wollen Sie von mir hören, Joe, meine Lebensgeschichte? In vier Worten zusammengefasst: große Ideen, kleine Ergebnisse.«
Maya starrte sie an, als wäre sie verrückt geworden, der Portier jedoch brach in ein breites Grinsen aus.
» Vor dem neuen Tag «, erklärte er.
»Genau«, stimmte ihm Brenna zu. »Ich habe den Film wahrscheinlich zwanzigmal gesehen. Ich bin ein Riesenfan.« Was die halbe oder gut die Viertelwahrheit war. Denn sie fand Barbara Stanwyck wirklich gut. Trotzdem hatte sie sich Vor dem neuen Tag nur einmal angesehen – am 30. März 2000, als sie mit Grippe im Bett gelegen hatte und der Film im Fernsehen gekommen war. Durch den größten Teil des Films hatte sie sich hindurchgezittert, hindurchgeniest und war eine gute halbe Stunde vor dem Ende eingenickt. Aber diese Sätze hatten ihr gefallen.
Kevin strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Sie haben, was Filme angeht, einen ausgezeichneten Geschmack.«
»Solche Filme werden heutzutage nirgends mehr gedreht.« Sie stieß einen Seufzer aus, und das neun Jahre alte Fieber trieb ihr eine heiße Röte ins Gesicht. »Wissen Sie, was
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