Aschebraut (German Edition)
nicht zu ihr. Und würde ein so braver, alter Mann die Polizei belügen, nur weil er sich einen blöden Scherz mit ihr erlauben wollte? Ja, vielleicht.
Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war Diandra nicht die Einzige mit einem krankhaften Interesse am Fall Lula Belle. Vielleicht hielt sich die echte Lula Belle ja wirklich irgendwo für jeden sichtbar vor ihnen versteckt. Und vielleicht hatte sie ja Kevin, dem Portier, tatsächlich ihren wahren Vornamen genannt.
»Alles in Ordnung, Bren?«, erkundigte sich Trent.
»Ich bin mir nicht ganz sicher.«
Der Morsecode von ihrem Handy zeigte, dass sie eine SMS bekommen hatte. Eilig blickte sie auf das Display und merkte, dass der Text von ihrer Tochter kam. Heute Abend Chanukka. Bist Du bald zu Hause?
Clea, warst du letzte Nacht im MoonGlow ?
Brenna blickte ihren Assistenten an. »Ich muss sie sehen.«
»Wen?«
»Die Frau, mit der Errol letzte Nacht zusammen war.«
Er runzelte die Stirn. »Und wie in aller Welt willst du das anstellen?«
»Ich habe da eine Idee«, erwiderte sie. »Sie ist vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, aber …«
Er sah sie abwartend an.
»Das erzähle ich dir später«, versprach sie, schrieb Maya eine kurze SMS zurück und lief eilig Richtung Tür. »Und in der Zwischenzeit such du weiter nach diesem Shane.«
16
»Dafür bist du mir ’ne Menge schuldig.« Mayas Kommentar war überraschend trocken dafür, dass vor weniger als fünf Minuten das Erbrochene einer Betrunkenen direkt auf ihren heißgeliebten Turnschuhen gelandet war.
Nachdem sie und Brenna an der Ecke 108./2. Avenue aus dem Taxi ausgestiegen waren, hatte Maya ihren riesengroßen Zeichenblock auf dieselbe Art an ihre Brust gedrückt wie die Bob-der-Baumeister-Puppe, als sie am 23. März 2002 morgens um sieben in das Wohnzimmer von Brennas frisch bezogener Wohnung getrippelt gekommen war. Prinz Harry und ich wollen frühstücken, Mommy.
Brenna war aus der Erinnerung zurückgekehrt und hatte gedacht: Himmel, ich bin wirklich eine grauenhafte Mutter. Schließlich schleppe ich mein Kind an diesen grauenhaften Ort. Und dann war eine dürre, kahlköpfige Frau in einem trägerlosen roten Minikleid direkt auf sie zugestolpert und hatte der Tochter zur Bestätigung der mütterlichen Selbstvorwürfe auf die Turnschuhe gekotzt.
Schlimmste! Mutter! Aller Zeiten!
Jetzt schrubbte sie mit Salzwasser und den Papierhandtüchern, die sie in der Kneipe neben dem Hotel ergattert hatte, an den Turnschuhen herum und bemühte sich um einen gutgelaunten Ton. »Ich möchte gar nicht wissen, wie es hier in dieser Gegend abends ist.« Sie standen im Foyer des MoonGlow – aus dem Errols Leichnam und die Polizei längst verschwunden waren.
Inzwischen war es fünfzehn Uhr, und durch die vor Schmutz starrenden Fenster sah der welke Weihnachtsschmuck an den Laternen auf der Straße wie das Grünzeug in einem schon länger nicht mehr gereinigten Aquarium aus.
Auf die Dekoration im Innern des Hotels hatte Brenna bisher nicht geachtet, aber wenn sie sie hätte klassifizieren müssen, dann als Mitte-des-zwanzigsten-Jahrhunderts-und-vor-allem-was-zum-Teufel-hatten-diese-Leute-sich-dabei-gedacht. Doch noch schlimmer als die loh- und malvenfarbenen Bodenfliesen, die zahlreichen Spiegel an den Wänden, die dem Aussehen nach geschmolzene Plastikleuchte an der Decke und die falsche Ming-Vase voll verstaubter Plastikblumen neben dem Empfangstisch war der leichte Käse- oder Schwefelduft, der neben dem Geruch eines billigen Pinien-Lufterfrischers in der Eingangshalle hing. »Du hast recht«, sagte sie jetzt zu Maya. »Dafür schulde ich dir was.«
»Ich kann meine Schuhe auch allein saubermachen, Mom. Es ist superpeinlich, dass du vor mir auf dem Boden kniest.«
»Ich will auf keinen Fall, dass du mit diesen Schuhen in Berührung kommst. Und vor wem sollte dir hier was peinlich sein? Ich kann dir garantieren, dass du hier ganz sicher keinen deiner Freunde treffen wirst.«
»O mein Gott! Der Typ, der gerade aus dem Fahrstuhl steigt. Das ist mein Geschichtslehrer. Hallo, Mr Stewart! Ist das Ihre Frau?«
Brenna riss den Kopf herum.
»War nur ein Witz«, erklärte ihre Tochter, aber Brenna konnte das ängstliche Flackern ihrer Augen deutlich sehen. Himmel, sie ist noch ein Kind. Was habe ich mir nur dabei gedacht?
»Sollen wir wieder gehen, Maya?«
»Mom, hör auf. Ich bin okay.«
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte eine Stimme hinter ihnen, und sofort sprang Brenna auf, machte auf dem Absatz
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