Aschebraut (German Edition)
seine Glieder wurden schwer. Er hatte das Gefühl, auf den Grund des Ozeans zu sinken, umgeben von Muscheln und Fischen und zahlreichen wunderhübschen Meerjungfrauen mit wallendem Haar, wild wackelnden Schwänzen und riesengroßen Brüsten, aber dann wurde das Wasser trüb, und bald war es so schwarz, dass er nichts mehr sah.
Er war unendlich müde.
»Gute Nacht, mein kleiner Prinz.«
Das hatte seine Mom allabendlich zu ihm gesagt, wenn sie ihn ins Bett gebracht, das Saffron-Lied für ihn gesungen und ihm drei Küsse auf die Stirn gegeben hatte. Und er hätte schwören können – als sich seine Lider noch mal flatternd öffneten und er Diandra sah, die vollständig bekleidet aus der Wohnung glitt –, dass auch sie das zu ihm sagte, ehe sie die Tür hinter sich schloss. Gute Nacht, Trent. Gute Nacht, mein kleiner Prinz.
Ebenso hätte er schwören können, dass sie RJ Tannenbaums Computer in den Händen hielt.
N
Sobald sie und Maya in die Wohnung kamen, prüfte Brenna ihre Mails, und die erste, die sie sah, stammte tatsächlich von Trent. Er hatte sie ihr unter dem Titel Fuck um 14.55 Uhr geschickt. Er hatte im Anhang Wrack, einen weiteren Shane-Smith-Film, beigefügt und dazu angemerkt:
B –
dachte, Du wolltest Dir vielleicht noch einen »Film« ansehen. Wobei auch dieser Film totaler Schwachsinn ist. (SPOILER-ALARM: Man sieht zwei Minuten lang nichts anderes als einen Fahrradreifen, der mitten auf einer Straße liegt.) Wie dem auch sei, ich habe mich auch in RJs Handy gehackt und seine Anrufliste wiederhergestellt. War das reinste Kinderspiel. War nichts Interessantes dabei, aber trotzdem schicke ich Dir die Infos von dem Handy aus in einer separaten Mail. Gib mir Bescheid, falls Du sie nicht erhältst. Außerdem habe ich noch ein bisschen an Shane Smiths Gesicht gearbeitet, aber jetzt bin ich hundemüde, und ich glaube, ich mache jetzt wirklich erst mal ein Nickerchen.
TNT
Brenna atmete erleichtert auf. Er machte erst mal ein Nickerchen. Deshalb war er nicht ans Telefon gegangen. Ja, natürlich war es das – so dämlich war er schließlich nicht.
Er hatte noch eine Reihe Nachsätze an seine E-Mail angehängt:
P. S.: Anbei auch noch ein Bild davon, wie RJ wahrscheinlich aussieht, wenn er Spielberg kopiert (unter uns gesagt, ich sehe als Diesel deutlich besser aus).
P. P. S.: Ich habe mir den gesamten Inhalt seines Laptops angesehen. Das einzig Interessante, was ich (abgesehen von den Pornos) dort gefunden habe, war, dass RJ ein Cloud Storage Gateway heruntergeworfen hat. Wahrscheinlich hast Du keine Ahnung, was das heißt. Erklärung folgt.
Er hatte recht. Brenna hatte keinen blassen Schimmer, was das hieß. Sie betrachtete das Bild von RJ Tannenbaum, auf dem er mit sorgsam gestutztem Bart, der Leder-Bomberjacke und der Baseballkappe von den L. A. Dodgers zu sehen war. Dabei stammte er aus Queens. Auf Brenna wirkte er in diesem Aufzug wie ein Mann, der sich zu sehr bemühte, jemand anderes zu sein – wie ein plumper Kerl im Aufzug eines Regisseurs, der jedoch weniger wie Spielberg wirkte als wie Michael Moore. Doch nach dem wenigen, was sie über den Menschen wusste, war dies sicherlich das zutreffendste Foto, das es von ihm gab.
Sie schickte es weiter an Morasco und fügte hinzu: Vielleicht bringt uns dieses Bild bei unserer Suche ja ein bisschen weiter … das ist RJTs neuer Look, mit freundlichem Gruß von Trent.
Sie wandte sich erneut der E-Mail ihres Assistenten zu. Trent liebte Nachsätze und hatte deshalb noch ein weiteres P. S. hinzugefügt: Kannst Du mich um 16 Uhr 30 telefonisch wecken? Mein Wecker funktioniert nicht richtig, und wenn ich zu lange schlafe, bin ich nachher schlecht gelaunt.
Maya rief aus ihrem Zimmer: »Mom, inzwischen ist es dunkel.«
Zeit, die Kerzen anzuzünden. Denn dies war die letzte Nacht von Chanukka – das hieß zumindest für sie zwei. Für den Rest der Welt war das bereits Freitagnacht gewesen, aber sie hatten vor zwei Jahren beschlossen, das Ende des Festes zu verlegen, wenn es nicht auf einen Tag am Wochenende fiel. Weil Brenna dadurch genug Zeit für ihre Vorbereitungen (und die Suche nach dem passenden Geschenk) bekam.
Was dieses Jahr ganz leicht gewesen war. Denn schon seit dem letzten Chanukka wünschte sich Maya einen iPod Touch, aber bisher hatte Brenna sich erfolgreich gegen ihre Bettelei gewehrt. (Maya hatte bereits einen Laptop, brauchte also ganz bestimmt kein weiteres Gerät, nur um ins Internet zu gehen. Der Bildschirm war zu klein und
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