Aschebraut (German Edition)
blieben ihr auch jede Menge Scherereien mit der Polizei erspart.
Der Fahrer trat das Gaspedal bis auf den Boden durch, und nach weniger als zwei Minuten hatte sie ihr Ziel erreicht. Sie drückte ihm die Scheine in die Hand und stieg wortlos aus.
Die Haustür war nur angelehnt.
Mit dem Brieföffner in der Hand lief sie los. Sie überlegte nicht, wieso die Haustür offen stand, dachte nur daran, dass sie so schnell wie möglich in den dritten Stock und zu Trent gelangen musste, rannte atemlos durchs Treppenhaus, bis sie sah, dass seine Wohnungstür geschlossen war. Trents Wohnungstür. Sie klopfte, doch er reagierte nicht.
Und er reagierte auch nicht, als sie mit der Faust gegen die Holztür trommelte. Sie rüttelte verzweifelt an dem Knauf. Und die Tür glitt langsam auf. Es hatte niemand abgesperrt …
Mit angehaltenem Atem trat sie ein. Sie zitterte am ganzen Körper, abgesehen von ihrer ausgestreckten rechten Hand, in der sie den Perlmuttgriff des Brieföffners von ihrem Vater hielt. »Trent?«
In der Wohnung war es totenstill. Sie ging in Richtung Schlafzimmer, öffnete die Tür und sah das Rudergerät, das sorgfältig gemachte Bett (hatte er jemals sein Nickerchen gemacht?), das gerahmte Werbeplakat an der Wand, auf dem eine junge Frau in weißem Bikini unter der zweideutigen Überschrift Unbegrenzter Hard Drive einen riesengroßen Flachbildschirm liebkoste. Doch besonders fiel ihr der Computer auf dem Poster auf. Denn wie hatte Trent ein paar Stunden zuvor gesagt? Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass auch noch RJs Mac Pro drüben in meinem Schlafzimmer steht.
Doch RJs Mac Pro war nirgendwo zu sehen.
Brenna rannte wieder in die Küche und bemerkte zuerst die leere Weinflasche, die auf dem Tresen stand, und dann, dass der Kaffeetisch verrückt war, wie um Platz zu machen für … wofür?
Auf dem Fußboden unter dem Tisch glitzerte ein Armband. Brenna hob es auf. Diamanten und Smaragde und in Höhe des Verschlusses ein Saphir …
14. Juni, ein feuchtheißer Tag. Brenna schwitzt, ihre Haare kleben ihr im Nacken, und in ihren Ohren klingelt das Gezirpe der Zikaden, während sie im Garten der neuen Klienten im Great Barrington Estate an einem weißen Metalltisch sitzt. »Können Sie ihn finden?«, fragt die Frau, die klare blaue Augen und trotz all der Feuchtigkeit, die sie umgibt und die die Luft in einen festen, schwammartigen Stoff verwandelt, seidig weiche Haare hat. Die Frau scheint nicht zu wissen, wie man schwitzt, und schiebt mit kühler Hand ein Bild von ihrem Ehemann über den Tisch – einem hünenhaften Kerl in einem Madrashemd, mit kantigem Kinn, hervorquellenden Augen und derart öliger Haut, als hätte er bereits geschwitzt, als er auf die Welt gekommen war. Das genaue Gegenteil von seiner Frau. »Ich weiß, dass er noch lebt«, erklärt die Frau. Ihr Name ist Annette, und sie sieht wie ein Pastellgemälde aus. Brennas Blick fällt auf das Tennisarmband, das sie trägt – Diamanten und Smaragde und in Höhe des Verschlusses ein Saphir.
»Ich schwöre Treue auf die Fahne …« Brenna drehte das Armband zwischen den Händen um und entdeckte die Gravur auf der Unterseite des Saphirs: In ewiger Liebe, Larry. »Nun …«
Wie kommt Annette Shelbys Armband in Trents Wohnung?
Brenna kehrte in Gedanken abermals zu dem Besuch in ihrem Haus zurück. Annette hatte eine Visitenkarte aus der Brusttasche von ihrem Hemd gezogen, eine Nummer auf die Rückseite geschrieben und sie ihr über den Metalltisch zugeschoben. Unter dieser Nummer können Sie mich jederzeit erreichen.
Brenna presste ihre Handfläche gegen die Spitze ihres Brieföffners, kehrte in die Gegenwart zurück, zog ihr Handy aus der Tasche und tippte die Nummer ein.
Bereits nach dem ersten Klingeln kam sie an den Apparat. »Brenna?«
»Annette. Ich weiß, das klingt wahrscheinlich etwas seltsam, aber sind Sie gerade mit Trent zusammen?«
»Ja.«
»Was? Warum? Ist er okay?«
»Nein.«
Ihr stockte der Atem. »Haben Sie gerade …«
»Nein.«
»Bitte sagen Sie mir, was los ist.«
»Ich hätte Sie sowieso noch angerufen, hatte aber einfach Angst, dass Sie dann böse sind.«
»Auf Sie?«
»Auf Trent.«
»Warum?«
»Vergessen Sie nicht, dass er noch jung ist«, stieß sie tonlos aus. »Er ist wirklich noch sehr jung. In dem Alter haben wir alle irgendwelche Verrücktheiten gemacht.«
»Was zum Teufel ist passiert?«
»Ich habe Trent ins Krankenhaus gebracht.«
»Warum?«
»Versprechen Sie, dass Sie nicht böse
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