Aschebraut (German Edition)
hat Tannenbaum und Ludlow umgebracht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie hat Ludlow umgebracht und es bei Trent versucht. Aber ich glaube nicht, dass sie auch RJ auf dem Gewissen hat. Ich glaube, dass Shane Smith ihm in den Kopf geschossen und sie dabei zugesehen hat.«
»Und warum?«
»Weil sie die Leute nicht erschießt. Hätte sie RJ ermordet, dann hätten wir ihn ohne Hosen und mit einem unversehrten und wahrscheinlich sogar lächelnden Gesicht irgendwo entdeckt.«
»Nein. Ich meine, warum, glaubst du, wurde RJ umgebracht?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, gab sie unumwunden zu. »Aber ich gehe jede Wette ein, dass Diandra es mir sagen könnte.«
»Hallo, Brenna.« Hildy Tannenbaum trat vor Brennas Stuhl, und direkt hinter ihr ragte Pokrovsky auf.
»Hildy.« Eilig stand Brenna auf, nahm sie in den Arm und kehrte in Gedanken zu dem anderen Mal zurück, als diese winzig kleine Frau mit dem runden Schildkrötenpanzer-Rücken von ihr in den Arm genommen worden war. Die Frau, die ihren Jungen hatte finden wollen – denn auch wenn er kalt und distanziert gewesen war, sich ständig in seinem Zimmer eingeschlossen und ihr nichts als eine knappe Nachricht hinterlassen hatte, ehe er verschwunden war, war er immer noch ihr Sohn …
Hildys drahtige Perücke kitzelt sie am Kinn. »Ich will Ihnen helfen«, erklärt Brenna. Und tatsächlich will sie das um jeden Preis. Sie will Hildy helfen, Hildy und sich selbst …
Brenna kehrte in die Gegenwart zurück, umarmte Hildy wegen ihres Sohns, ihres toten Sohns, der, ohne dass es irgendwer gewusst hatte, auch vor zwei Tagen und zwei Monaten schon tot gewesen war. Unter einer Plane in einem verfallenen Gebäude vor sich hin gerottet hatte, ebenso erbärmlich wie dieser Kojote und die Krähen.
»Danke, dass Sie hier auf mich gewartet haben.«
Brenna wusste, sie umarmte Hildy viel zu fest. Sie hob den Kopf, blickte Pokrovsky an und machte einen Schritt zurück. »Es tut mir wirklich leid.«
Sie sah Hildy ins Gesicht. Ihre Augen waren trocken, aber gramerfüllt. Schweigend nahm Pokrovsky Hildys kleine Hand und hielt sie mit seiner knorrigen Pranke fest. Brenna fragte sich, ob Hildy ihm wohl je zuvor gestattet hatte, ihre Hand zu halten. Sie sah zu ihm auf, nahm die Wärme und die Traurigkeit in seinen sonst so kalten Augen wahr und kam zu dem Ergebnis, dass er seiner Nachbarin noch nie so nah gewesen war.
»Sie brauchen nicht zu bleiben«, wandte Hildy sich erneut an sie. »Yuri wird mich begleiten und mir bei der Identifizierung helfen.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Nick.
Hildy nickte, schloss die Augen und stellte mit leiser Stimme fest: »Ich nehme an, dass das ein Fehler war.«
Brenna sah sie fragend an. »Dass was ein Fehler war?«
»In die Filmbranche zu gehen.«
»Er war ein erwachsener Mann, Hildy. Sie konnten ihm nicht vorschreiben, was er aus seinem Leben macht.«
Hildy lächelte – oder verzog zumindest ihren Mund, während der gesamte Rest ihres Gesichts vollkommen reglos blieb. »Als er an der Highschool war, hat ihm Walter eine Videokamera gekauft. ›Vielleicht geht er dann ja endlich einmal aus dem Haus‹, hat er gesagt. Und für Robbie war es so, als könnte er zum ersten Mal im Leben richtig sehen. Er hat sich total in diese Kamera verliebt und alles Mögliche damit gefilmt. Die Vögel draußen oder mich, wenn ich am Bügeln war.«
»Sie sind schließlich auch wunderschön, wenn Sie mit Ihrem Bügeleisen in der Küche stehen.«
Hildy ignorierte Yuris Kommentar. »Durch diese Kamera bekam er endlich auch Kontakte. Er drehte kleine Filme mit den anderen Kindern aus der Nachbarschaft, ging in den Filmclub seiner Schule, hatte endlich Freunde …«
»An all das kann ich mich nicht erinnern.«
»Das war, als Sie nicht da waren. Das Leben bleibt nicht stehen, wenn jemand geht.«
»Ich weiß«, stimmte Pokrovsky Hildy leise zu, und in diesem Augenblick geschah etwas zwischen den beiden, was für Brenna unverständlich war. Fragend blickte sie Morasco an, doch der schüttelte den Kopf.
»Nichts hat Robbie glücklicher gemacht als seine Filmerei, und jetzt hat sie ihn umgebracht«, fuhr Hildy fort. »Hatte er die Kamera dabei? Oder hat sie jemand mitgenommen?«
»Sie war nicht mehr da.«
»Sehen Sie, Yuri? Diese Kamera, die er gekauft hat. Mit dem Geld, das er von Ihnen hatte …«
»Bisher steht nicht fest, dass er wegen dieser Kamera ermordet worden ist«, warf Brenna eilig ein.
»Die Frau mit dem Südstaatenakzent. War sie der
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