Aschebraut (German Edition)
er war.
Plötzlich sagte eine Stimme hinter ihr: »Dieser Typ sieht wie der aus der Cornflakes-Werbung aus.«
Obwohl Brenna sofort erkannte, dass die Stimme Trent gehörte, zuckte sie zusammen. »Du hast mich erschreckt.«
»Diese Wirkung habe ich nun mal auf Frauen. Aber auf eine positive Art.«
»Gibt es eine positive Art, Frauen zu erschrecken?«
Ehe Trent ihr eine Antwort geben konnte, hob sie abwehrend die Hand. »Die Frage war rhetorisch gemeint.«
»Und wer ist dieser Cornflakes-Werbung-Typ?«
Sie wollte es ihm gerade sagen, brach dann aber ab und verkleinerte das Bild auf ihrem Monitor. »Ein potentieller Klient. Ich dachte, du triffst dich mit Annette Shelby.«
»Um halb zwei. Das kleine Ding da unten in der rechten Ecke deines Bildschirms nennt man Uhr. Am besten guckst du ab und zu mal drauf.«
Brenna blickte auf den Monitor. Halb vier. »O nein …«
Heute war ihr Maya-Tag. Der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien, und dann blieb ihre Tochter für den Rest der Woche hier. Brenna hatte vorgehabt, sie als Überraschung von der Schule abzuholen und zu Molly’s einzuladen, weil sie dort die Cupcakes plötzlich lieber aß als in der Magnolia Bakery . Aber dafür war es jetzt zu spät. Brenna hatte es wie schon so oft vermasselt, denn Maya tauchte sicher jeden Augenblick in ihrer Wohnung auf. Sie stieß einen Seufzer aus. »Wo ist nur wieder mal der Tag geblieben?«
»Da, wo alle Tage landen«, stellte Trent mit einem gleichmütigen Schulterzucken fest.
Und damit hatte er eindeutig recht. Nach ihrem Gespräch mit Ludlow war sie heimgekehrt, ihre E-Mails durchgegangen, hatte eine lange Liste möglicher Klienten durchgesehen – seit dem Neff-Fall liefen die Geschäfte allzu gut – und versucht, nicht allzu oft in die Vergangenheit zurückzukehren. Was wie immer leicht gesagt, aber schwer zu realisieren gewesen war. Beispielsweise hatte eine Frau, die ihren Bruder suchte und die Rachel Fleischer hieß, die Erinnerung an Brennas Englischlehrerin Rosemary Fleischer wachgerufen, und sofort war sie gedanklich in den Unterricht vom 11. Februar 1983 abgetaucht – hatte die trockene Heizungsluft gespürt, den Kreidestaub gerochen und gehört, wie ihre Lehrerin ausführlich über den »tödlichen Reiz der Desdemona« sprach.
Oder ein ihr zugesandtes Foto hatte einen Jungen namens Jordan Michaels – der vor über fünf Jahren verschwunden war – vor den Niagarafällen gezeigt. Und natürlich war sie daraufhin bereits zum zweiten Mal an diesem Tag auf die Maid of the Mist zurückgekehrt. 30. Oktober. Der eisige Wind beißt ihnen in die Gesichter und …
Der Tag war vergangen wie sämtliche anderen Tage auch. Immer wieder hatten plötzliche Erinnerungen sie verschluckt, und sie hatte sich mühsam in die Gegenwart zurückkatapultiert. Zurück und vor, zurück und vor, zurück und wieder vor.
Sie wandte sich an Trent. »Und wie ist dein Treffen mit Mrs Shelby gelaufen?«
»Gut.« Trent knubbelte an einem seiner Fingernägel.
»So siehst du aber nicht aus.«
»Es ist gut gelaufen, nur …«
»Nur was?«
Er seufzte. »Hast du … na, du weißt schon … jemals eine persönliche Beziehung zu einem Klienten entwickelt?«
Sie sah ihn fragend an. »Eine persönliche Beziehung?«
»Ach, egal. Dann sind wir bei Errol also offiziell dabei? Haben wir jetzt alle Videos von Lula Belle?«
Brenna antwortete nicht, weil sie in Gedanken noch bei ihrem letzten Treffen mit Annette Shelby war. Die arme, zerbrechliche Annette hatte am 30. September in ihrem Hotelzimmer gesessen – einem Zimmer, das von ihr für das rührende Wiedersehen und die zweiten Flitterwochen mit ihrem vermissten Gatten vorgesehen gewesen war – und sich von Brenna anhören müssen, dass dem guten Larry nicht das mindeste an einem Wiedersehen lag. Annette mit dem traurigen, fragenden Blick und einem Hauch von Johnnie Walker Black unter dem Duft ihres teuren Parfüms.
Annette zieht einen Umschlag aus der Prada-Handtasche in ihrem Schoß und hält ihn Brenna hin. »Ihr Scheck«, erklärt sie ihr. »Ich habe noch ein kleines Trinkgeld für Ihren leckeren Assistenten draufgeschlagen.«
»Lecker? Trent?«
»Also bitte. Tun Sie doch nicht so. Diese Muskeln!« Annette dreht das nächste Fläschchen Johnny Walker auf und leert es in einem Zug. »Gott, er sieht einfach zum Anbeißen aus.«
Brenna zuckte innerlich zusammen. »Trent?«
Er saß bereits wieder vor seinem Monitor und bewunderte von neuem Lula Belle in ihrer ganzen
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