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Aschebraut (German Edition)

Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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Anrufen?«, schrie Brenna in Jims Telefon, und er und Maya sahen erst sie und dann einander fragend an.
    »In Ordnung, dieses Mal habe ich dich verstanden«, sagte Faith. Brenna spitzte die Ohren und presste das Handy fest an ihren Kopf, aber es nützte nichts. Faiths Stimme war inzwischen derart schwach, dass sie beim besten Willen nicht mehr richtig zu verstehen war.
    »Sag’s noch einmal! Ich kann dich nicht richtig hören!«
    »Der Anrufer«, schrie Faith. »Er hat nach deiner Schwester Clea gefragt!«

12
    Damals in L. A. hatte ein Besetzungschef Diandra Marie »überempathisch« genannt. Er hatte damit sagen wollen, dass sie sich, sobald sie irgendeine Rolle übernahm, derart in die jeweilige Drehbuchwelt versenkte, dass es für sie selbst und für die Menschen, die in ihrer Nähe waren, emotional gefährlich war. »Was, wenn du mal die Ophelia spielen solltest?«, hatte der Besetzungschef warnend gefragt. »Würden wir dich dann finden, wie du mit Blumen im Haar ertrunken den Fluss hinuntertreibst? Du musst immer daran denken, was Sir Ian McKellen mal gesagt hat: ›Mein Junge, es heißt nicht umsonst Schau spiel.‹ «
    Natürlich war der Fluss, von dem der Kerl gesprochen hatte, ungefähr fünf Zentimeter tief, nicht McKellen, sondern Laurence Olivier hatte diesen Satz gesagt, und der Besetzungschef hatte ihr diesen gutgemeinten Rat im Proberaum gegeben, während er wieder in seine Boxershorts gestiegen war.
    Doch auch wenn sie diese Rolle nicht bekommen hatte und der Name des Films, für den sie damals vorgesprochen hatte, und sogar der des Besetzungschefs ihr längst entfallen waren, hatte er mit seiner Einschätzung ihres Charakters durchaus recht gehabt. Diandra – oder DeeDee, wie sie damals noch geheißen hatte – tauchte immer derart tief in ihre Rollen ein, dass sie regelrecht darin ertrank. Sie ließ sich von den Figuren regelrecht verschlingen, bis sie nicht mehr Diandra Marie, sondern Ophelia oder Julia oder Maggie, die Katze, oder … welche Rolle spielte sie im Augenblick?
    Diandra liebte es, sich zu verlieren.
    Sie blieb kurz stehen und überprüfte ihren Look in dem gesprungenen Spiegel neben dem leeren Empfangstisch des – in Anführungsstrichen – »berühmten« MoonGlow -Hotels. Dunkle Sonnenbrille, schwarzer Trenchcoat, Stiefel, die bis zu den Oberschenkeln reichten, und – auch wenn der Spiegel das nicht zeigte – weiter nichts.
    Sie schminkte schnell die leuchtend roten Lippen nach und setzte kurz die Sonnenbrille ab. An die kornblumenblauen Linsen konnte sich Diandra einfach nicht gewöhnen. Mit den Dingern kam sie sich wie eine Barbiepuppe vor. Sie versuchte, an ihnen vorbei in die braunen Augen zu sehen, die sie abends in der Stille ihres Zimmers schloss. »Ich würde alles für dich tun«, raunte sie nicht sich selbst, sondern Mr Freeman zu und wusste in der Tiefe ihres Herzens, dass er diese Worte hörte, ganz egal, wo er auch gerade war.
    Mr Freeman, der der Regisseur dieses speziell für sie geschriebenen Stückes war.
    Seine Stimme hatte fürchterlich geklungen – geradezu erschreckend hilflos –, als er vorhin bei ihr angerufen und gebettelt hatte, dass sie diese Rolle übernahm. DeeDee , hatte er gesagt, und sofort war ihr warm ums Herz geworden. Niemand kannte ihn so gut wie sie. Niemand außer ihr kannte seine Stimme, wenn sie derart hilflos klang. Weder seine Frau noch seine Kinder, noch seine Klienten, noch die ganzen anderen Leute aus L. A., mit denen er bekannt und zum Teil sogar befreundet war. Niemand außer ihr.
    Wir alle gehen durchs Leben, indem wir verschiedene Rollen spielen. Sie war überzeugt davon, dass es so war. Wir wählen täglich ein Kostüm und schminken uns, treten auf die Bühne der Welt und spielen eine Rolle. Auf die andere reagieren. Wir bringen den größten Teil des Lebens damit zu, für die anderen irgendetwas darzustellen.
    Als sie sich von ihrem letzten Freund in Los Angeles getrennt hatte, hatte er furchtbar traurig ausgesehen. Aber das war nicht echt gewesen. Du hast mir was vorgemacht, hatte er zu ihr gesagt. Du hast mir die ganze Zeit was vorgemacht. Und ihr währenddessen selbst etwas vorgemacht. Er hatte einfach seinen Part gespielt, wie alle anderen auch. Dann war sie nach New York gegangen, und neu kostümiert und frisch geschminkt hatte er mit einer neuen Szene angefangen und der nächsten hübschen Schauspielerin etwas vorgemacht. Hatte wieder eine dieser oberflächlichen Romanzen angefangen, wobei diese Liaison auf

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