Aschebraut (German Edition)
hinbekomme. Aber das geht sicher schnell.«
Brenna seufzte, und ihre Tochter sah sie an.
»Ich bin nicht sauer.«
»Doch. Was ich dir aber nicht verdenken kann. Du hast heute so viel durchgemacht, und statt dich einfach in den Arm zu nehmen, sitze ich hier neben dir und … versuche … ich versuche, etwas rauszufinden.«
»Also, erstens hast ja wohl eher du heute einiges mitgemacht – ich habe schließlich nur hier rumgesessen und darauf gewartet, dass du kommst. Und zweitens, würde ich jetzt in deinen Armen liegen, dann käme ich mir ziemlich … seltsam vor.«
»Kapiert. Gibt es auch noch einen dritten Punkt?«
Maya nickte knapp. »Du kannst mir nicht einfach erzählen, dass du versuchst, was rauszufinden, ohne mir zu sagen, was. Ich meine, du hast schließlich nicht einfach gesagt, dass du braune Haare, Zahnweh oder sonst was hast. Und ich finde, dass du mir, wenn du erzählst, dass du etwas herauszufinden versuchst, sagen solltest, was das ist.«
Brenna sah sie lächelnd an. »Das ist ziemlich kompliziert, Schätzchen.«
»Ich bin nicht blöd.« Maya lehnte ihren Block gegen die Wand, und Brenna starrte in ihr eigenes Gesicht – auf die gespitzten Lippen, den Blick, der in die Ferne schweift, die Schatten unter ihren Wangenknochen und die vielen anderen Details: die Art, wie sich ihre Haare über ihren Schlüsselbeinen ringeln, den Schwung der Brauen, den ein wenig angespannten Mund , das winzige ovale Muttermal, das sich ein Stückchen oberhalb von ihrem Unterkiefer befand. Unweigerlich sah sie die Tochter vor sich, wie sie sie betrachtet hatte, ohne dass es ihr bewusst gewesen war. Und die sie so sorgfältig und detailliert gezeichnet hatte, als könne sie durch ihren Blick auf Brennas Äußeres erkennen, was in ihrem Inneren vor sich ging. Vielleicht war Maya viel gefühlsbetonter, als sie Brenna sehen ließ. Vielleicht sprach sie nicht um ihrer selbst, sondern um ihrer emotional ausweichenden Mutter willen viele Dinge, die ihr durch den Kopf gingen, nicht aus.
»Okay, du hast gewonnen«, sagte sie.
»Wirklich?«
»Unter einer Bedingung.«
»Ja?«
»Dass ich dieses Bild behalten darf.«
Strahlend drückte Maya auf den Pausenknopf der Fernbedienung. »Klar.«
Sie erzählte ihrer Tochter wirklich alles, und nach Ende des Berichts starrte Maya sie geschlagene dreißig Sekunden lang sprachlos an.
»Also«, fasste sie Brennas Bericht schließlich zusammen. »Du denkst, dieser Robin hat dich im Fernsehen gesehen, dabei ist ihm klargeworden, dass die mysteriöse Lula Belle in Wahrheit Clea ist. Und als er sie danach gefragt hat, hat sie ihm dieses Bild von euch beiden geschickt, und dann sind sie zusammen abgehauen?«
»Vielleicht.«
Maya musste sichtlich schlucken.
»Also«, fragte Brenna, »was denkst du ?«
»Das wird dir nicht gefallen.«
»Ich möchte es trotzdem hören.«
»Ich denke, diesem Robin ist vielleicht was Schlimmes zugestoßen«, fing ihre Tochter langsam an. »Und wenn diese Frau, die diesen Flaschentrick beherrscht, tatsächlich Clea ist, dann hatte sie vielleicht etwas damit zu tun.«
Brenna runzelte die Stirn. »Du denkst, deine Tante Clea hätte diesen Robin umgebracht?«
»Ich kenne sie doch gar nicht. Und du kennst sie auch nicht, Mom.«
»Sie ist meine Schwester.«
Maya seufzte. »Ja, okay. Ich weiß, dass ich noch nicht erwachsen und so bin, deswegen verstehe ich das alles vielleicht nicht. Aber falls sie wirklich noch am Leben ist, heißt das, dass sie euch vor fünfundzwanzig Jahren verlassen und sich nie wieder bei euch gemeldet hat. Ich meine – nicht einmal nach all dem Zeug, das in den Nachrichten über dich kam? Kein einziger Brief und keine einzige Mail? Was für eine Schwester soll das sein?«
Brenna sah auf ihre Hände. »Eine Schwester, die nach ihrem Vater schlägt«, klärte sie ihre Tochter leise auf.
Maya wechselte von ihrem Sessel auf die Couch. »Dann hat sie die Gabe der Zerstörung also auch deiner Meinung nach im Blut.«
Brenna starrte sie mit großen Augen an. Ihr Puls fing an zu rasen, und im selben Augenblick saß sie wieder neben Nick, lauschte den Erzählungen von Lula Belle, sah, wie das Licht des Monitors auf seine Augen fiel. Drückten sie etwa Mitleid aus? … sie dachte, ich hätte die Verrücktheit meines Dads geerbt. Sie dachte, ich könnte nichts anfassen, ohne dass es zerbricht. Mama hat immer gesagt, ich hätte die Gabe der Zerstörung im Blut.
»Wo hast du das gehört?«
»Was?«
»Hast du dir heimlich die
Weitere Kostenlose Bücher