Aschebraut (German Edition)
brauchte, denn das hatte er ihr gestern selbst am Telefon gesagt. Ich brauche dich, DeeDee, und hoffe nur, dass du das weißt.
»Natürlich weiß ich das«, wisperte sie jetzt.
Das war es, was sie am meisten an ihm liebte – dass er sie so dringend brauchte. Deshalb hatte sie getan, worum er sie gebeten hatte, und dafür gesorgt, dass ihm der andere Mann nie wieder in die Quere kam. Hatte Errol Ludlow und dadurch auch Mr Freeman ein für alle Mal von seinem Leid erlöst. Er wird dafür sorgen, dass ich und meine Familie auf der Straße landen, DeeDee. Wir sind ihm total egal. Du musst ihn stoppen. Jetzt sofort.
Wie sie Errol hatte stoppen sollen, hatte Mr Freeman nicht gesagt. Aber sie hatte es auch so gewusst. Denn sie kannte Mr Freeman mindestens so gut wie er sich selbst. Was die Tatsache bewies, dass sie zum Zeitpunkt seines Anrufs schon bereit gewesen war.
Wie hatte Saffron ihr zwei Abende zuvor erklärt? Mit dem Ecstasy-Viagra-Cocktail, der in Fachkreisen »Studentenfutter« hieß, spielten seine Kunden »Russisches Roulette«.
Mit seinem engen weißen T-Shirt und den strahlend weißen Zähnen hatte er in ihren Augen einen geradezu überirdischen Glanz verströmt. »Willst du in den Himmel, Süße?«, hatte er gefragt, und sie hatte das Gefühl gehabt, als ob sie mit einem Engel sprach.
Vor ihm hatten auch schon andere sie im Rose Room angesprochen, doch er war der Richtige gewesen, und so hatte sie sich von ihm in die VIP-Lounge führen lassen, die nicht unbedingt der Himmel, ihr an diesem kalten Freitagabend aber himmlisch vorgekommen war. Denn nach einer Weile hatte auch sie selbst geglüht, als hätte sie etwas vom Glanz des Mannes absorbiert. Er hatte ihr die Tüte voller Pillen gezeigt, und da war sie auf die Idee gekommen – auch wenn sie nicht sicher hätte sagen können, wie oder warum. »Kann ich davon drei oder vier haben?«, hatte sie ihn vorsichtig gefragt. »Ein Freund von mir wirft so was gern zu seinem Viagra ein.«
Saffron hatte alarmiert die schwarz schimmernden Augen aufgerissen – etwas, wovon Diandra völlig überrascht gewesen war. »Sag deinem Freund, dass man von dieser Mischung einen Herzinfarkt bekommen kann«, hatte dieser wunderschöne, hilfsbereite Mann erklärt.
All das war passiert, obwohl sie an dem Abend noch nicht hatte wissen können, dass sie diese Pillen wirklich brauchen würde, weil sie Mr Freeman helfen müsste. Aber vielleicht hatte sie es unbewusst geahnt. Denn als er sie angerufen hatte – mit verängstigter, zitternder Stimme, weil er sie so dringend brauchte wie die Luft zum Atmen –, hatte sie sofort gewusst, wie sie ihm helfen konnte.
Was ihr abermals bewiesen hatte, dass sie und Mr Freeman engverwandte Seelen waren.
N
Anfangs hatte Errol Ludlow sich gesperrt, aber sie hatte die Fingerspitzen unter seinen schwarzen Seidenmorgenrock geschoben und ihm leise zugeraunt: »Oh, Sie tragen den Ring. Und wenn Sie jetzt noch diese Pillen nehmen, werden Sie sich wundern, dass er nicht zerspringt …«
»Also gut.« Seine Stimme hatte vor Verlangen einen rauen Klang gehabt, und sie hatte ihm die Pillen mit einem Glas Dom Perignon serviert und war der Spur von ihren Fingerspitzen mit dem Mund gefolgt.
Denn Mr Freemans Stimme hatte sie in ihrem Kopf dazu gedrängt.
Und dann hatte Errol Ludlow laut gestöhnt. War ihr mit den Händen durch das Haar gefahren, hatte ihr gesagt, dass sie einfach unglaublich war, und …
Hatte er »Ich liebe dich« gesagt?
Ich liebe dich, mein Herz …
O nein, das hatte er ganz sicher nicht gesagt. Nicht Errol Ludlow, denn er hatte niemanden geliebt. Hatte er ihr das nicht selbst erzählt, als sie zum Vorstellungsgespräch bei ihm gewesen war? Hatte er sich nicht damit gebrüstet, dass er jede Menge Geld damit verdiente, dass er ein ums andere Mal bewies, dass wahre Liebe eine Lüge war?
»Sie haben mich nie geliebt«, erklärte sie ihm jetzt. »Sie haben höchstens das geliebt, was Sie aus mir gemacht haben.«
Aber waren nicht fast alle Männer so? Sie sehen ein hübsches Gesicht, füllen die Leerstellen mit ihrer Phantasie, und das ist es, was sie lieben – das Mädchen, das du in ihren Gedanken wirst. So hatte es Diandras Stiefmutter mal formuliert und durchaus recht gehabt. Schließlich hatte bereits eine Unzahl Männer ihre eigenen Leerstellen wahlweise mit einer solchen Güte oder Schlechtigkeit gefüllt, dass sie keinen Finger hatte krümmen müssen, damit diese Kerle ihr verfallen waren. Die alten Griechen
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