Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin

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nannten Schönheit eine Tugend, die für sie genauso wichtig wie die Wahrheit war. Das hatte das Monster ebenfalls gesagt. Und wenn das stimmte, was sie sagte, war problemlos zu verstehen, weshalb am Ende Rom anstelle Griechenlands zur Weltmacht aufgestiegen war.
    Ich liebe dich, mein Herz …
    Diandra kniff die Augen zu. Sie mochte es nicht, wenn sie Schuldgefühle hatte. Aber warum hatte Mr Freeman heute früh am Telefon kein Wort zu ihr gesagt? Natürlich war er immer sehr beschäftigt, kaum jemals allein und bestimmt noch gar nicht richtig wach gewesen, als sie angerufen hatte. Aber trotzdem hatte sie zumindest auf ein Dankeschön gehofft.
    Trotzdem würde sie nicht lange böse auf ihn sein. Sie konnte niemals lange böse auf ihn sein, denn schließlich hatte Mr Freeman ihr geduldig zugehört, als sie noch DeeDee Walsh – eine dicke, pickelige graue Maus mit Zahnspange und gerade einmal dreizehn Jahre alt – gewesen war.
    Als ihre Stiefmutter sie mit in sein Büro genommen hatte, um dort vorzusprechen, hatte DeeDee vor lauter Verlegenheit nicht mal ein Hallo rausgebracht. Sie war davon ausgegangen, dass das Stiefmonster so wie immer das Gespräch und alles andere an sich reißen würde – denn mit ihrem zweifarbig getönten Haar, der verführerischen Keyhole-Bluse und dem Lächeln à la Marilyn Monroe nahm sie automatisch immer alle Menschen für sich ein.
    Aber Mr Freeman hatte sie kaum angesehen. Stattdessen hatte er ihr selbst Fragen wie »Wo siehst du dich in zehn Jahren?« oder »Was hast du für Karriereziele?« gestellt und sie dabei so angesehen, als wäre er an ihrer Meinung wirklich interessiert. DeeDee hatte aus dem Augenwinkel eine Aufnahme von seinen beiden kleinen blonden Töchtern auf dem Schreibtisch stehen sehen und gedacht: Ich würde alles dafür tun, um das Kind von einem solchen Mann zu sein.
    Nie zuvor hatte jemand derart an sie geglaubt. Auch wenn ihr großer Durchbruch ausgeblieben war, so hatte er sich doch sehr darum bemüht. Und sie wusste, dass er selbst nach all den Jahren immer wieder an sie dachte, nur an sie und niemand anderen sonst. Du hast alle Charaktere in dir, DeeDee, unter deiner wunderschönen Haut, hatte er zu ihr gesagt. Du kannst jede Rolle spielen. Es gibt nichts, was du nicht kannst. Und selbst als sie zu alt geworden war, um noch ein potentieller Kinderstar zu sein, und sie sich jahrelang nicht mehr gesehen hatten, hatte er auch weiterhin an sie gedacht – genau wie sie an ihn.
    Diandras Handy läutete einmal. Das war das Signal für eine eingehende SMS, und Mr Freeman rief sie immer an, aber trotzdem wogte leise Hoffnung in ihr auf, und eilig griff sie nach dem Apparat.
    Der Absender der SMS war Trent LaSalle. Dinner?
    Sie stieß einen Seufzer aus. Wortgewandt wie immer. Und vor allem prompt. Sie hatte ihn bereits am frühen Morgen angesimst, und es war nicht zu akzeptieren, dass ein Freak wie Trent LaSalle, der jeden seiner Schritte über Twitter und Foursquare bekanntzugeben pflegte, sie den halben Tag auf eine Antwort warten ließ.
    Trotzdem tippte sie zurück: Wo hast Du die ganze Zeit gesteckt?
    Lange Geschichte. Später. ☺
    Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie auf das Display. »Willst du mich verarschen? Du willst mich doch wohl nicht abservieren?«, murmelte sie.
    Das gefiele Mr Freeman sicher nicht. Denn er hatte Diandra schließlich angewiesen, sich an Trent LaSalle zu hängen und zu sehen, was er und seine Chefin Brenna Spector trieben. Sie müssen der Wahrheit nahekommen , hatte Mr Freeman ihr erklärt, aber allzu nahekommen dürfen sie ihr nicht. Weißt du, was ich damit sagen will, DeeDee? Wir müssen ihnen immer etwas dichter auf den Fersen sein als sie Lula Belle.
    Natürlich wusste Diandra, was er damit hatte sagen wollen. Denn sie konnte in ihm lesen wie in einem Buch.
    Aber jetzt servierte Trent sie einfach ab. Durchkreuzte ihre Pläne wie ihr letzter Freund drüben in L. A. mit seinem Du hast mir die ganze Zeit was vorgemacht und seinem Du wirst es noch bereuen, dass du mich so verletzt hast, du und dieser Typ werdet es noch bereuen. Er machte es genau wie Shane.
    Das darf nicht passieren.
    Diandra atmete tief durch. Du musst ruhig bleiben, bleib ruhig … Sie müsste ihn noch einmal sehen, das war alles. Denn wenn er ihr gegenüberstand, würde er ganz sicher wieder schwach. Wie lange hatte ihr erstes Gespräch gedauert? Dreißig, vierzig Sekunden? Bei ihrem zweiten Treffen hatte er sich schon ein bisschen besser angestellt, aber