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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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halb ernüchtert . Ich betäube meine Freundin mit einem Kuss, damit sie meine Träume nicht sieht. Deshalb hat Anzej immer meine Nähe gesucht - wenn wir uns berühren, sind die Grenzen zwischen unseren Träumen aufgehoben. Vorsichtshalber rückte sie von Beljén ab, denn so sehr sie es versuchte, der Blutmann ließ sich nicht so einfach wieder in das Vergessen sperren. Dazu war ihr viel zu elend zumute. Er hasst dich zu Recht. Du hast ihm tatsächlich das Herz gestohlen. Das Verwirrendste aber war, dass sie die Sehnsucht nach ihm immer noch spürte. Wie ein anderes Fieber, das weitaus verheerender und süßer war als alles, was sie je erfahren hatte. Es war die verrückte, besitzergreifende Liebe der Frau in Weiß.
    Plötzlich hielt sie es in dieser Stille nicht länger aus. Bis vor wenigen Minuten war sie geborgen gewesen, nun aber war ihr dieses grenzenlose Sein inmitten der anderen viel zu nah. Hastig rutschte sie vom Stein und rannte lautlos zu der Wendeltreppe in der Mitte des Raumes. Erst als sie schon auf halbem Weg nach unten war, fiel ihr ein, dass sie nichts anhatte und dass kein Mantel sie schützte. Hier war niemand, der sich an ihrer Nacktheit stören würde, aber wenn sie die Gemächer der Zorya verlassen wollte, dann musste sie etwas zum Anziehen finden. Und sie musste den Zirkel endlich verlassen, um zum Blutmann zu gelangen.
    Sie wollte gerade wieder die Treppe nach oben stürzen, als ein orangefarbenes Flimmern sie innehalten ließ. Ein Fuß erschien, dann noch einer. Beljén kam mit verschlafenen Augen die Wendeltreppe hinunter.
    »Wo willst du denn hin?«, murmelte sie und gähnte.
    »Ich … weiß es nicht, einfach raus hier.« Diesmal schmeckte ihre Lüge schal.

    Beljén runzelte die Stirn. »Hast du schlecht geträumt?« Summer suchte in ihrem Tonfall nach irgendeinem Hinweis, dass Beljén sich erinnerte, aber es deutete nichts darauf hin.
    »Nein. Ich … brauche nur Luft. Und etwas zum Anziehen. Ich wollte mir eine Seidendecke holen.«
    »Jetzt? Mitten in der Nacht willst du raus? Aber warum?«
    Jetzt balancierte sie tatsächlich auf einem schmalen Grat. Jede weitere Lüge würde sie von Beljén entfernen. Und schon allein der Gedanke gab ihr einen Stich. Aber wenn sie ihr alles sagte, dann verriet sie ihn - ohne zu wissen, was wirklich geschehen war. Ohne das Rätsel gelöst zu haben, warum sich alles in ihr dagegen sträubte, ihn auszuliefern. Nein, sie durfte auch vor Beljén nicht mit offenen Karten spielen. Nun, aber vielleicht würde schon eine Karte genügen?
    »Beljén, ich muss jemanden suchen.«
    »Wen denn? Anzej? Er ist zur Zeit im achten Turm und …«
    Heftig schüttelte Summer den Kopf. »Nein, es ist eine verrückte Idee, aber ich muss zu dem Soldaten, der mich vor den Tandraj gerettet hat.«
    Sie hatte mit größerer Überraschung gerechnet. Beljén runzelte nur die Stirn. »Und das kann nicht warten, bis du gesund bist?«
    »Ich bin gesund und hellwach, Beljén!«
    »Hm, dann müssen wir ins zweite Haus, zu Lord Joras. Aber was willst du von dem Soldaten?«
    »Nur mit ihm reden. Ihm danken. Er hat mich schließlich gerettet. Ist das so ungewöhnlich?«
    Beljén ließ sich mit der Antwort Zeit und dachte offenbar angestrengt nach. Dann zuckte sie mit den Schultern: »Für eine Zorya, die so lange unter Menschen gelebt hat wie du, vermutlich nicht.«
    Sie grinste, als würde sie an der Idee Gefallen finden, und sah
sich verstohlen nach der Treppe um. »Lady Mar hat untersagt, dass wir uns den Menschen zeigen, wenn es nicht unbedingt nötig ist«, sagte sie mit einem verschwörerischen Zwinkern. »Andererseits ist Lady Mar gerade im achten Turm und beratschlagt mit Lord Kallan über die neuen Truppen. Ich schätze, wir haben also mindestens eine Stunde Zeit. Aber«, sie grinste noch breiter und hob in ironischem Tadel die linke Augenbraue, »eine Zorya, die etwas auf sich hält, geistert auf gar keinen Fall wie ein Gespenst in Laken gewickelt durch die Räume der Lords!«
    Offenbar gab es doch einige wenige Dinge, in denen die Zorya den Menschen so ähnlich waren, dass es fast zum Lachen war. Die winzige Kleiderkammer hätte auch ein Teil von Morts Theater sein können. Eine nackte, vor sich hin funzelnde Glühbirne gab spärliches Licht. Der Spiegel in der Ecke war fleckig von Fliegenschmutz. Und die Kleider, die hier aufgehängt waren, rochen nach Lavendel, als fürchtete man, die Motten würden sie sonst zerfressen.
    »Hier, dein Kleid.« Beljén reichte ihr eine Wolke

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