Ascheherz
versprochen!«
Sein Nebelatem streichelte ihr Gesicht. »Dann fang gleich damit an«, zischte sie ihm zu. Sie vergrub die Hände in seinem Haar und küsste ihn so stürmisch, dass er zusammenzuckte.
»Willst du mich umbringen oder küssen?«, beschwerte er sich. Und während sie noch überlegte, ob sie ihm wirklich wehgetan hatte, lag schon seine Hand auf ihrem Rücken - Haut auf Haut, unter ihrem Pullover. »Weißt du, was praktisch ist?«, sagte er. »Dass du nicht frierst, selbst wenn ich dich mitten im Schnee ausziehe!« Seine Hand glitt nach oben, doch Summer entwand sich ihm. »Der Einzige, der hier friert, bist du!«
Er wehrte sich, als sie ihre kalten Hände unter seinen Pullover schob, aber sie ließ nicht von ihm ab. Und bald vergaßen sie beide, dass es viel zu kalt war. Lachend rangen sie miteinander, versanken in der Wärme geraubter Küsse, bis ihre Berührungen nach und nach sanfter wurden.
Zum ersten Mal liebten sie sich unbeschwert, ohne Geheimnisse, ohne die Furcht vor Entdeckung und ganz ohne das Misstrauen, das in der Zitadelle jeden ihrer Gedanken überschattet hatte. Und obwohl es Nacht war, erschien es Summer, als seien sie sich bisher nur im Halbdunkel begegnet und würden einander zum ersten Mal im Sonnenlicht sehen - lachend und glücklich.
Noch lange nachdem Loved eingeschlafen war, spürte sie diesen Empfindungen nach. Der Mantel, den Loved über sie gebreitet hatte, war ihr bis auf die Hüfte heruntergerutscht und sie nahm ihn und deckte Loved damit zu. Ihre bloße Haut leuchtete fahl im Schneelicht der Nacht. Dunkel zeichnete sich auf ihrer Hüfte Loveds Hand ab. Sie lächelte und strich mit den Fingerspitzen über die Narben auf seinem Handrücken.
»Ich und du«, sang eine leise, selige Stimme in ihrem Kopf.
Und eine strenge, störende Stimme ermahnte sie: Sag es ihm, sag es ihm bald!
Nach mehreren Tagen lichtete sich der Wald und sie erreichten eine lang gezogene Felsschlucht. »Hier kann man fast schon das Meer hören«, sagte Loved. »Und an das hier müsstest du dich erinnern.«
Summer sah sich skeptisch um. Überhängende Felsränder gaben der Schlucht die Anmutung eines Tunnels. Sie war sicher, noch nie hier gewesen zu sein. Doch dann erkannte sie, dass Loved gar nicht die Schlucht gemeint hatte, sondern die Winterbäume. Etwa dreißig davon krallten sich hier in den felsigen Grund. Sie hatten gedrillte helle Äste, die zwar blattlos waren wie die aller anderen Bäume im Winter, aber dafür voll von Knospen und Blüten. Eisblaue Blüten, kaum größer als Münzen. Es sah aus, als hätte jemand einen Sack voll blauer Sterne über den Zweigen ausgeschüttet. Der Wind drehte und der Duft fing sich in Summers Nase. Frisch wie gerade erst gefallener Schnee war er, ein wenig fruchtig, mit einer betäubenden Note von Weihrauch. Und mit ihm kehrte der Festsaal zurück, in dem sie getanzt hatte. Und ein ganzer Winter voll heimlicher Küsse. Sie lächelte und umschloss Loveds Hand. »Ja, die Blüten kenne ich noch gut.«
Nach vier Stunden Fußmarsch kamen sie zum südlichsten Fjord des Nordlandes. Sie umrundeten ihn ein Stück und stiegen dann über zerklüftete Anhöhen bergab.
Gegen Mittag erreichten sie ein verstecktes halbrundes Plateau.
Früher war es größer gewesen, aber irgendwann, vor hundert Jahren oder mehr, war ein Stück der Anhöhe heruntergebrochen. Der Grundriss der Burgruine war jedoch immer noch deutlich zu sehen, schwarze Steinstümpfe, die aus dem Schnee ragten. Eine halbe Mauer stand noch zwischen Winterbäumen und auch die Reste eines Turms.
»Der … Richtplatz«, flüsterte Summer. Es war wie ein weiterer Schock, ein kalter Schauer, als würde ihre ganze Haut erfrieren. Sie ließ Loveds Hand los und rannte zu der Ruine. Ihr Schwarm fegte voraus und blieb über einer bestimmten Stelle in der Luft. Und zweihundert Jahre verschwanden mit einem Lidschlag. Wie in ihren Albträumen überlagerten sich die Zeiten. Nur der Schnee gehörte beiden Wirklichkeiten. Ruinen und abgesacktes Land - und darüber wie ein transparentes Bild eine Burg, erbaut aus neuen, hellen Steinen, die sich in den Himmel erhob. Direkt davor befand sich der quadratische Platz, auf dem sie gekniet hatte.
Sie hatte erwartet, dass ein Strom von Gefühlen sie mitreißen würde, aber sie spürte nur dieses eisige Frieren.
Gestern noch hatte sie sein Herz gestohlen. Und heute erschien ihr das, was ihr widerfuhr, wie die Strafe dafür. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen, aber die brennenden
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