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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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aufmachen. Sicher wird er sein Herz eines Tages vergessen. Doch als sie die Augen wieder öffnete, gähnte der Kamin ihr wie ein Bestienmaul entgegen. Und wie winzige Mahnbriefe mit Totenkopfzeichnungen saßen ihre Schwärmer auf dem Kaminsims, als wollten sie sie nicht vergessen lassen, wer sie trotz allem war. Eine stumme Anklage, die ihr klarmachte, dass sie am Grund ihrer Existenz angekommen war. Im Keller ihrer Seele.
    Loveds Hand lag warm auf der pochenden Kuhle zwischen ihrer Kehle und ihren Schlüsselbeinen. Seine Finger strichen gedankenverloren über die Haut. Und natürlich nahm er sofort wahr, wie ihr Puls plötzlich zu rasen begann. »Was ist?«
    Noch nie hatte sie etwas so viel Mut gekostet. Doch in die Augen sehen konnte sie ihm dabei nicht.
    »Dein … dein Herz …«
    Die Hand lag abrupt still.
    »Ja? Erinnerst du dich?« Die Hoffnung in seiner Stimme war kaum zu ertragen.
    Kein Zurück mehr. Keine Lügen mehr.
    »Ich … weiß wieder, was ich damit gemacht habe. Ich habe es verbrannt.«
    Vorher war es still gewesen. Jetzt bekam die Stille das Gewicht von Granit. Die Totenkopfschwärmer flüchteten so schnell in den Schatten, als würden die Türen zu den dunkelsten Räumen aufgehen. Die Hand auf ihrer Kehle verhärtete sich.
    » Verbrannt? «, fragte Loved fassungslos.
    Es gab keine Möglichkeit der Erklärung mehr, keine Ausflüchte. »Ja. Und ich wünschte, ich könnte dir sagen, ich hätte es nur getan, um dich zu retten. Aber meine Erinnerung sagt mir etwas anderes. Ich war eine Zorya. Ich wollte dich besitzen. Und ich
habe dein Herz gestohlen, damit der Tod dich nicht bekommt. Du warst abenteuerlustig und bei jedem Kampf in der ersten Reihe dabei. Indigo führte damals viele Kriege. Ich fürchtete, du würdest sterben. Ich wollte dich nicht verlieren. Und ich war eifersüchtig beim Gedanken, dass eine andere Zorya als ich dich küssen könnte. Das war ich, die Frau in Weiß, die Zorya, die dich als ihren Besitz betrachtet hat und dich ganz für sich haben wollte.«
    Die Hand zog sich zurück, so langsam, als gehörte sie einem alten Mann. Jetzt erst wagte sie einen zaghaften Blick zur Seite.
    Loved starrte nur in den alten Kamin, blass, die Zähne so fest zusammengebissen, dass die Muskeln an seinem Kiefer hervortraten. Summer hätte ihn gern umarmt, aber sie wagte es nicht.
    »Das heißt, mein Herz ist … für immer …?«
    »Ja.« Ihre Stimme war kaum mehr als Hauch. »Verloren. Solange es mich gibt, steht die Zeit, die dir zum Leben bemessen war, still. Wenn du mich nicht abgehalten hättest, die Sache mit Indigo zu Ende zu bringen, dann würde dein Leben weitergehen, bis du eines Tages …«
    »Hör auf!« Die Wände warfen seinen Schrei wie ein dumpfes Grollen zurück. Er sprang auf und funkelte sie an. »Wie lange weißt du es schon?«
    In seinen Augen lag all der Schmerz über den Verrat und ein maßloser Zorn auf sie. Und diesmal hatte sie keine Haut und keine schützende Rolle, in die sie schlüpfen konnte.
    »Ein paar Tage … kurz bevor ich zum Lager aufgebrochen bin. Ich wollte es dir schon so oft sagen, aber …«
    »Weißt du, was du getan hast?«
    »Ich habe auch etwas verloren!«, rief sie. »Wir sind nicht mehr die Menschen, die wir waren, Loved! Die zwei, die sich damals geliebt haben, waren …«

    Er stieß ein zynisches Lachen aus und schüttelte den Kopf. »Soll das eine Entschuldigung sein?«
    »Nein, nur eine Frage. Lieben wir nur das, was vergangen ist?«
    Loved fluchte und machte auf dem Absatz kehrt. Und stürmte ohne ein weiteres Wort hinaus.

    Er kam in dieser Nacht nicht zurück. Sie hatte gedacht, dass sie in Maymara und in den anderen Städten einsam gewesen wäre, aber was richtige Einsamkeit war, erfuhr sie erst jetzt. Ohne ihn, ohne die Zorya, die sie trotz allem vermisste.
    Heute lag sie mit der Frau in Weiß Seite an Seite, eng umschlungen. Zwillinge, die dennoch unterschiedlicher nicht sein könnten - Tjamad und Summer, die jede auf ihre Weise denselben Mann liebten. Die eine besitzergreifend und kompromisslos wie eine Zorya, die andere voller Hingabe, lachend und streitend, zwischen Nähe und Distanz balancierend wie ein Mensch. Beide Seiten hatten auf ihre Art recht und sie fühlte sich zerrissener denn je.
    Sobald die letzte Harzkerze ausging, glomm der Raum nur noch in der zweiten Wirklichkeit. Aber nur wenn sie genau hinsah, konnte sie ihre Falter erkennen, die sich in Nischen und Ritzen verkrochen hatten. »Kommt zu mir«, flüsterte sie, doch

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