Aschenputtel: Thriller (German Edition)
hielt Fredrika schon den Telefonhörer in der Hand. Mit einer weiteren Person musste sie noch reden, ehe sie Klarheit darüber erhielt, was Sara Sebastiansson wirklich damals in jenem Sommer vor so vielen Jahren in Umeå festgehalten hatte.
Samstagabend, und Peder war immer noch im Büro. Es war Sommer, aber der Himmel wolkenverhangen. Kühl war es und feucht. Nichts stimmte mehr.
Peder merkte, wie er wieder auf Äußerlichkeiten zurückgeworfen wurde. Den ganzen Tag hatte er nicht mit Ylva geredet, und jetzt bereute er, dass er keine Reue verspürte. Am Morgen noch hatte er sich bei der Arbeit wertlos und unproduktiv gefühlt, und jetzt spürte er plötzlich, wie seine Karriere steil nach oben wies. Diesen amerikanischen Professor einzuladen, war ein echter Glücksfall gewesen. Vor allem für die Ermittlungen, aber auch für Peder selbst. Er spürte, dass er gut war. Er fühlte sich energiegeladen.
Sein Auto fand wie von selbst zum Karolinska zurück. Diesmal hatte er nicht vorher angerufen und sein Kommen angekündigt. Wenn sie ihn nicht vorließen, musste er eben am nächsten Tag wiederkommen.
Er versuchte, Mitleid mit Jelena Scortz zu empfinden. Immerhin war ihr während ihres jungen Lebens schon übel mitgespielt worden. Doch Peder war von einem unerschütterlichen Glauben an den freien Willen beseelt. Selbst wenn Jelena Scortz’ Leben ein Elend gewesen war: Auch für eine miese Kindheit gab es eine Verjährungsfrist. Wer sich in eine Sache wie Kindsmord hineinziehen ließ, war in Peders Augen keinen Pfifferling wert. Und das galt auch für Jelena Scortz. Ganz besonders galt das für Jelena Scortz. Der finstere und zornige Blick, den Peder in ihrem geschlagenen Gesicht gesehen hatte, als sie davon sprach, warum die Frauen bestraft werden mussten, hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Sie hatte genau gewusst, was sie tat, als sie Sara in Flemingsberg aufhielt, dachte Peder verbittert. Sie hatte verdammt gut gewusst, was sie tat.
Als er erst einmal im Krankenhaus angekommen war und in Jelenas Krankenzimmer trat, wurde Peder wieder etwas nachsichtiger. Dass man einem Menschen solche Verletzungen zufügte, war schließlich ebenso wenig zu rechtfertigen.
Eine Krankenschwester stand bei Jelena und half ihr, mit einem Strohhalm zu trinken. Die Schwester zuckte zusammen, als sie Peder hinter sich hörte.
» Sie haben mich aber erschreckt«, sagte sie– und verstummte augenblicklich, als sie seine Dienstmarke sah.
Es war nicht dieselbe Krankenschwester wie beim letzten Mal.
Peder lächelte. Jelena verzog keine Miene.
» Ich würde gern kurz mit Jelena sprechen, wenn sie es verkraftet«, sagte er. » Ich war heute Vormittag schon einmal da.«
Die Schwester runzelte die Stirn. » Also, ich weiß nicht…«
» Es geht ganz schnell«, beeilte sich Peder zu sagen, » und auch nur, wenn Jelena es will.«
Die Schwester wandte sich zu Jelena um. » Möchten Sie mit der Polizei sprechen?«, fragte sie besorgt.
Jelena antwortete nicht.
Langsam näherte Peder sich dem Bett.
» Ich habe noch ein paar Fragen«, sagte er leise. » Und nur wenn Sie es schaffen.«
Jelena schwieg weiterhin, aber sie sah ihn direkt an, und sie schüttelte auch nicht ablehnend den Kopf. Peder beschloss, dies als schweigendes Einverständnis zu werten.
» Ich muss erfahren, wie lange Sie den Mann gekannt haben«, sagte er.
Jelena drehte den Kopf ein wenig auf dem Kissen. Bereute sie, vor dem Mann geflohen zu sein? Ahnte sie, dass sie Verrat an ihm begangen hatte, indem sie den Kampf aufgegeben hatte? In dem Fall würde sie den Ermittlern jede weitere Information verweigern.
» Seit… Neujahr.«
Sie sprach so leise, dass Peder sie kaum verstand.
» Seit Neujahr«, interpretierte die Schwester überdeutlich.
Peder nickte eifrig. » Und wie haben Sie sich kennengelernt? Bitte, können Sie mir das sagen?«
Er flehte. Das tat er nur sehr selten.
Eine einsame Träne rollte ihr über die Wange. Peder schluckte. Man durfte den Job nie persönlich nehmen, durfte aber auch nicht alle eigenen menschlichen Züge unterdrücken.
» Straße«, antwortete Jelena leise, aber deutlich. Wieder machte die Schwester den Mund auf, um zu wiederholen, was die Frau gesagt hatte, doch Peder wies sie an, still zu sein.
» Auf der Straße«, wiederholte er langsam. » Waren Sie… waren Sie Prostituierte, ehe Sie den Mann kennenlernten?«
Ja-Nein-Fragen gingen leichter. Da konnte sie den Kopf schütteln oder nicken. Diesmal nickte sie.
War er
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