Aschenputtel: Thriller (German Edition)
letzte Aktennotiz war auf den 11. November 2005 datiert, als der Mann einem Auszug aus dem Register der Telefongesellschaft zufolge Sara in einer einzigen Nacht über einhundert Mal angerufen hatte– das einzige Mal im Übrigen, dass Beweise gegen ihn sprachen, und Sara setzte ein Besuchsverbot durch.
Fredrika stutzte. Sara hatte erwähnt, ihr Mann und sie hätten sich erst kürzlich getrennt, doch aus den Akten war zu schließen, dass die Eheleute seit Juli 2005, als Sara zum zweiten Mal zur Polizei gegangen war, nicht mehr zusammenlebten. Was war seit dem 11. November 2005 geschehen? Ein kurzer Blick ins Personenregister, und sie seufzte. Die beiden waren natürlich wieder zusammengezogen.
Nun war der Zeitverlauf klar. Am 17. Juli 2005, zwei Wochen nach der zweiten Anzeige, hatten Sara und Gabriel Sebastiansson sich auf unterschiedliche Adressen umgemeldet. Sie hatten zwar nicht die Scheidung beantragt, sich aber getrennt. Am 20. Dezember 2005, nur wenige Wochen nachdem Sara das Besuchsverbot durchgesetzt hatte, hatten sie sich wieder unter derselben Anschrift angemeldet. Danach war es still um die beiden geworden.
Wie sie wohl seither gelebt hatten? Und wie war es um ihre Beziehung heute bestellt? Fredrika ahnte, aus welchem Grund Sara sie darum gebeten hatte, ihrem Ex- oder noch immer Ehemann nicht zu erzählen, dass sie eine neue Beziehung eingegangen war.
Fredrika schlug eine neue Seite in ihrem Notizbuch auf. So schnell wie möglich musste sie mit Sara über die früheren oder vielleicht immer noch andauernden Misshandlungen sprechen. Und sie musste unbedingt mit Saras Exmann reden, der allerdings derzeit nicht zu erreichen war. Außerdem sollte sie Saras neuen Freund befragen.
Fredrika schlug ihr Notizbuch zu und eilte aus ihrem Dienstzimmer. Es war Zeit genug, sich noch einen Kaffee zu holen, ehe das Team sich traf, um die Informationen über die verschwundene Lilian zusammenzutragen. Hoffentlich würde sie bis dahin auch noch die Mutter von Gabriel Sebastiansson erreichen. Vielleicht wusste die ja, wo der Sohn sich aufhielt.
Mit gelassener Routine leitete Alex Recht das Treffen in der Löwengrube. Peder verspürte immer ein wenig Aufregung, wenn sie sich dort trafen. Löwengrube – so nannten die Kollegen den einzigen Konferenzraum der Abteilung. Peder mochte den Ausdruck. Natürlich war nicht Fredrika darauf gekommen. Der fehlte schließlich jede Fantasie und Raffinesse.
Es ging auf sechs Uhr zu, und Lilian Sebastiansson war jetzt seit fast vier Stunden verschwunden– eine beträchtlich lange Zeit, wenn man ihr junges Alter in Betracht zog und dass sie in der Stockholmer Innenstadt verloren gegangen war. Es stand inzwischen außerhalb jeden Zweifels, dass sie gegen ihren Willen verschwunden war. Sie war viel zu klein, um sich auf eigene Faust irgendwohin zu begeben, und außerdem hatte sie keine Schuhe an den Füßen.
» Ich muss euch wohl kaum darauf hinweisen, dass die Lage ernst ist«, richtete Alex einleitend das Wort an die Versammelten.
Niemand sagte etwas, und Alex setzte sich.
Außer ihm selbst nahmen Fredrika, Peder und die Assistentin der Gruppe, Ellen Lind, an der Besprechung teil, dazu die Ermittler, die von den Suchergebnissen im Umkreis des Hauptbahnhofs berichten sollten, und Leute von der Technik.
Als Erstes bat Alex um den Zwischenstand vom Hauptbahnhof. Die Antwort war so kurz wie niederschmetternd: Die Suche hatte rein gar nichts ergeben. Auf die Lautsprecherdurchsagen hatte niemand reagiert, und die Gespräche mit den Taxiunternehmen hatten auch keine Ergebnisse erbracht.
Die Spurensicherung in den Zugwaggons hatte ebenso wenig zutage gefördert. Dort Fingerabdrücke zu sichern war schwierig, und die Kollegen hatten keinerlei Anhaltspunkte finden können, wie das Mädchen aus dem Zug gekommen war. Wenn man sich überdies vorstellte, dass es getragen worden war, dass es vielleicht sogar noch geschlafen hatte, als es entführt wurde, dann machte dies die Arbeit umso schwieriger. Spuren von Blut waren nirgends entdeckt worden. Das Einzige, was sichergestellt worden war, war ein Schuhabdruck auf dem Fußboden direkt vor dem Sitzplatz des Mädchens.
Alex horchte interessiert auf, als berichtet wurde, dass der Abteilboden unmittelbar vor der Fahrt gereinigt worden war. Das bedeutete, dass der Abdruck, den man gefunden hatte, von der aktuellen Reise stammen musste. Ein Ecco-Schuh Größe 46.
Er bedankte sich bei den Kollegen. » Mal sehen«, fuhr er fort, » welche Hinweise
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