Aschenputtel: Thriller (German Edition)
Alex, » das ist schön.«
Wenn das Kind nicht bald wieder auftauchte, würde er in Betracht ziehen müssen, die Kripo heranzuziehen, um all die Hinweise bearbeiten zu können. Doch mit diesem Gedanken konnte er die Sitzung nicht beenden.
» Trotz der schlechten Vorzeichen«, sagte er also, und er wandte sich bereits zum Gehen, » muss ich doch sagen, dass ich in diesem Fall ein ganz gutes Gefühl habe. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis das Mädchen wieder auftaucht.«
Als das Paket verschnürt war, legte der Mann es in eine unauffällige Papiertüte und ließ Jelena allein in der Wohnung. » Bis später«, sagte er nur.
Jelena lächelte. Doch schon wenige Minuten später ertappte sie sich dabei, wie sie rastlos zwischen Küche und Wohnzimmer auf und ab schlich. Sie vermied es, in die Nähe des Badezimmers zu kommen.
Der Fernseher war eingeschaltet. Mit knappen Sätzen wurde die Nachricht eines aus einem Zug verschwundenen Kindes gemeldet. Jelena war fast verärgert. Wartet nur, dachte sie. Es dauert nicht mehr lange, und euch wird klar werden, dass das hier nicht irgendeine kleine unbedeutende Nachricht ist.
Nervös fuhr sie sich mit den Händen durchs Haar. Der Mann würde dies nicht gutheißen, er würde es als Beweis dafür ansehen, dass sie auf seine Planung nicht vertraute. Egal. Es stand so viel auf dem Spiel, so vieles musste gutgehen.
Jelena ging in die Küche, um sich ein Brot zu schmieren. Sie hatte die Hand schon an der Kühlschranktür, als sie es auf dem Fußboden liegen sah, direkt unter dem Esstisch. Das Blut rauschte durch ihren Körper, und ihr Puls raste. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie meinte, es müsse zerspringen, als sie sich bückte und das Unterhöschen vom Fußboden aufhob.
» Oh nein, oh nein«, flüsterte sie voller Panik. » Nein, oh nein, wie konnte das passieren?«
Ihr Verstand schaltete auf Autopilot, und sie tat, was getan werden musste. Die Unterhose musste verschwinden, und zwar sofort. Die Befehle des Mannes waren unmissverständlich gewesen. Alle Kleidungsstücke sollten in dem Paket liegen. Alle. Jelena weinte fast vor Angst, als sie die Unterhose zusammenknüllte und in eine alte Einkaufstüte steckte. Wenn er nur nicht auf der Straße stehen geblieben war und noch einmal kontrolliert hatte, dass auch wirklich alles in dem Paket lag! Wie der Blitz stürzte sie aus der Wohnung und die Treppe hinunter zum Müllschlucker im Erdgeschoss des Mietshauses. Die Tür knarrte wie immer, war schwer zu öffnen. Jelena riss den Müllschlucker auf und warf die Tüte hinein. Ihr Herz raste immer noch, als sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, zur Wohnung zurückrannte.
Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihr zu, und sie nestelte ungeschickt am Schloss herum. Tief durchatmen, damit sie der Panikattacke Herr wurde. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zum Bad, schluckte schwer und öffnete die Tür. Die Erleichterung, als das Licht anging, war unbeschreiblich.
Zumindest dort war alles so, wie es sein sollte. Das Mädchen lag noch immer nackt in der Badewanne, wo sie es hingelegt hatten.
Peder Rydh blätterte zerstreut in seinem Notizbuch. Er konnte kaum lesen, was er da geschrieben hatte. Im Büro war die Luft drückend, er fächelte sich mit dem Büchlein ein wenig Luft zu und ließ seine Gedanken wandern. Das Leben konnte einen wirklich auf unerwartete und oft traurige Weise überraschen, das hatte die Mutter von Lilian Sebastiansson heute zu spüren bekommen. Doch Peder teilte die Einschätzung von Alex, dass dieser Fall für die Gruppe relativ leicht zu lösen sein würde.
Sein Handy riss ihn aus den Gedanken. Er lächelte. SeinBruder Jimmy. Er meldete sich mindestens einmal täglich.
» Hörsdu?«, fragte die Stimme im Telefon unvermittelt, nachdem sie ein paar Bedeutungslosigkeiten ausgetauscht hatten.
» Ich höre, ich höre«, beschwichtigte Peder ihn.
Ein stilles Lachen, fast wie das unterdrückte Kichern eines Kindes. » Du schummels, Pedda, du schummels. Du hörs nich.«
Peder musste grinsen. Nein, er hörte nicht zu. Nicht so gut jedenfalls, wie er sonst zuhörte, wenn er mit seinem Bruder sprach.
» Komms bald, Pedda?«
» Ich komme bald«, versprach er. » Wir sehen uns am Wochenende.«
» Is das lange?«
» Nein, nicht mehr lange. Nur noch ein paar Tage.«
Und dann verabschiedeten sie sich, wie sie es immer taten: mit großen Versprechungen von Umarmungen und Wiedersehensfreude und Marzipantorte, die sie essen würden, wenn sie sich träfen.
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