Aschenputtel: Thriller (German Edition)
sich in ihren Armen herum und hielt ihr ein Glas Wein entgegen. Für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie das Glas nahm, ließ sie ihre Stirn auch seine Brust berühren. » Tut mir leid, dass ich heute so spät dran war.«
Spencer prostete ihr schweigend zu, und dann genossen sie den ersten Schluck.
Ehe sie Spencer kennenlernte, hatte Fredrika sich nie viel aus Rotwein gemacht. Inzwischen konnte sie es nicht länger als ein paar Tage ohne aushalten. So hatte der gute Professor ihr ohne Frage auch ein paar schlechte Angewohnheiten beigebracht.
Spencer strich ihr sanft über die Wange.
» Ich war neulich doch auch zu spät«, antwortete er nur.
Fredrika lächelte ein wenig.
» Es ist schon elf, Spencer. So spät warst du das letzte Mal nicht.«
Aus irgendeinem Grund, vielleicht fühlte sie sich schuldig, oder vielleicht war sie einfach zu erschöpft, kamen ihr plötzlich die Tränen.
» Aber Liebes…«, begann Spencer, als er ihre glänzenden Augen sah.
» Tut mir leid«, murmelte Fredrika, » ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich…«
» Du bist müde«, stellte Spencer bestimmt fest. » Du bist müde, und du hasst deinen Job bei der Polizei. Und das, meine Liebe, ist eine ganz üble Kombination.«
Fredrika nahm einen weiteren Schluck. » Ich weiß«, sagte sie leise. » Ich weiß.«
Er legte seinen Arm fest um sie. » Bleib morgen zu Hause. Wir bleiben beide hier.«
Fredrika seufzte leise. » Völlig unmöglich. Ich bin an einem neuen Fall dran. Ein kleines Mädchen ist verschwunden. Deshalb war ich so spät. Ich musste die Mutter des Kindes und ihren neuen Freund befragen. Eine so schlimme Geschichte, dass man gar nicht glauben möchte, dass sie wahr ist.«
Spencer zog sie an sich. Sie stellte ihr Glas ab und schlang beide Arme um ihn. » Du hast mir gefehlt«, flüsterte sie.
Sehnsucht auszudrücken war eigentlich ein Verstoß gegen die Regeln, auf die sie sich im Stillen geeinigt hatten, aber Fredrika war nicht mehr dazu imstande, sich um dergleichen Vereinbarungen zu scheren.
» Du hast mir auch gefehlt«, murmelte Spencer und küsste sie auf die Stirn.
Ein wenig verwundert sah ihm Fredrika direkt ins Gesicht.
» Ist das nicht ein denkwürdiges Zusammentreffen?«, sagte Spencer mit einem schiefen Lächeln.
Kurz nach eins hatten Fredrika und Spencer schließlich beschlossen, ins Bett zu gehen. Spencer gelang es wie immer ohne Weiteres einzuschlafen. Fredrika hingegen lag noch eine Weile wach.
Das breite Doppelbett stand mitten an der Längsseite des einzigen Raumes der Wohnung. Ansonsten war sie mit zwei durchgesessenen englischen Sesseln und einem Schachtisch sparsam möbliert. Direkt hinter der kleinen Küche stand noch ein kleiner Esstisch mit zwei Stühlen.
Die Wohnung hatte Spencers Vater gehört, und als dieser vor zehn Jahren gestorben war, hatte Spencer sie übernommen. Seither hatten sich Fredrika und ihr Freund kaum je woanders getroffen. Bei ihm zu Hause war sie selbstverständlich nie gewesen, und die wenigen Male, da sie sich außerhalb der Wohnung gesehen hatten, hatte Fredrika Spencer zu der einen oder anderen Konferenz ins Ausland begleitet. Sie nahm an, dass ein paar seiner Kollegen von ihrer Beziehung wussten, aber das war ihr gleichgültig. Spencer genoss einen außergewöhnlich guten Ruf unter seinen Professorenkollegen und wurde in privaten Dingen niemals behelligt.
Fredrika rollte sich in Spencers Armen zusammen. Er atmete ruhig und schlief bereits tief. Vorsichtig strich sie mit dem Finger über die Haare auf seinem nackten Arm. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Derlei Gedanken waren gefährlich, das wusste sie. Aber es gab sie trotzdem. Und sie kamen immer, wenn die Nacht am dunkelsten war und sie sich besonders einsam fühlte.
Vorsichtig drehte sie sich um, bis sie auf dem Rücken lag.
Der Besuch bei Sara Sebastiansson war in jeder Hinsicht anstrengend gewesen. Zum einen natürlich wegen Sara Sebastiansson selbst. Die Frau war verständlicherweise völlig außer sich vor Sorge. Aber auch wegen Peder. Den hatte es sichtlich gefreut, als Alex verkündet hatte, dass Fredrika nicht allein zu Sara Sebastiansson fahren würde. Fredrika hatte gesehen, wie er sich aufgerichtet und sich ein feistes Grinsen auf seinem Gesicht breitgemacht hatte.
» Es ist nicht so, dass ich deine Kompetenz infrage stelle«, hatte Alex gesagt. Aber Fredrika wusste nur zu gut, dass es genau darum ging. Als junge Frau mit akademischem Background waren die
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