Aschenputtel: Thriller (German Edition)
sagte sie schließlich, fast lautlos, sodass Fredrika das Wort kaum vernehmen konnte. » Ich weiß nicht, wo er ist. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass er gestern auf Dienstreise gegangen sein soll. Das hat er am Montag gesagt, als ich zuletzt mit ihm gesprochen habe. Wir haben darüber geredet, dass er und die kleine Lilian hierher zum Abendessen kommen sollten, wenn Sara von einer der vielen Reisen zurück wäre, die sie dem armen Kind aufnötigt.«
Fredrika sah sie unverwandt an.
» Ich verstehe«, sagte sie und beugte sich dann selbst ein Stück vor. » Das Problem ist nur«, und sie lächelte ein klein wenig, » dass Gabriels Arbeitgeber sagt, er habe seit Montag Urlaub.«
Teodora wurde blass, und Fredrika spürte ihr Herz schneller schlagen.
» Und da fragen wir uns natürlich, warum er seine eigene Mutter in dieser Sache angelogen hat«, fuhr sie mit sanfter Stimme fort. Sie richtete sich auf. » Es sei denn, Sie möchten mir noch etwas anderes erzählen.«
Teodora sagte eine ganze Weile gar nichts. Dann erklärte sie: » Gabriel lügt nie. Ich weigere mich, das, was er mir erzählt hat, als Lüge zu bezeichnen, ehe er dies nicht selbst eingestanden hat.«
Sie verzog den Mund, und die Farbe kehrte langsam in ihre Wangen zurück. Dann sah sie Fredrika scharf an.
» Durchleuchten Sie die Mutter von Lilian eigentlich ebenso gründlich?« Sie kniff die Augen zusammen.
» In derlei Fällen untersuchen wir alle Personen aus der unmittelbaren Umgebung des Kindes«, antwortete Fredrika knapp.
Teodora faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und setzte ein schiefes und überlegenes Lächeln auf. » Meine Liebe«, sagte sie streng, » es wäre höchst bedauerlich, wenn Sie der guten Sara nicht ordentlich auf die Finger schauten.«
» Wie ich schon sagte, sehen wir uns alle, die…«
Teodora hob die Hand. » Glauben Sie mir, Sie und Ihre Kollegen könnten viel Zeit gutmachen, wenn Sie sich mehr auf all die Bekannten konzentrierten, die in Saras Wohnung ein- und ausgehen, wie es ihnen beliebt.« Und als Fredrika nichts darauf erwiderte, fuhr sie fort: » Sie wissen das vielleicht nicht, aber ich möchte doch hervorheben, dass mein Gabriel in der Beziehung mit Sara mehr als geduldig war.«
Sie machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge, von dem Fredrika genau wusste, dass sie es niemals würde nachahmen können, sosehr sie es auch versuchte.
» Er ist so schrecklich erniedrigt worden.«
Zu Fredrikas Erstaunen füllten sich die Augen der alten Dame mit Tränen. Sie sah aus dem Fenster zum dunklen Himmel hinauf und trocknete sich rasch die Augenwinkel. Als sie Fredrika wieder ansah, war ihr Gesicht weiß vor Zorn.
» Und dann kam sie mit all diesen schrecklichen Lügen. Als hätte Gabriel nicht schon genug gelitten. Nein, sie setzte überdies alles daran, sein Leben zu zerstören, indem sie behauptete, er würde sie schlagen.«
Plötzlich lachte sie so gellend auf, dass Fredrika zusammenzuckte.
» Wenn das nicht das Böse in Person ist, was dann?«
Stumm war Fredrika der Theatervorstellung– oder was es nun sein sollte– gefolgt, aber nun konnte sie nicht länger schweigen.
» Sara wies ausführlich dokumentierte körperliche Verletzungen auf, als sie Ihren Sohn wegen der Misshandlungen anzeigte.«
Teodora hielt kurz inne, ehe sie ihren nächsten längeren Auftritt begann.
» Das weiß ich natürlich«, sagte sie und starrte Fredrika an, als wäre der Hinweis ebenso unnötig wie rücksichtslos gewesen. » Eine ihrer vielen Männerbekanntschaften muss wohl die Geduld mit ihr verloren haben.«
Teodora langte über den Tisch und nahm die Kaffeetasse in die Hand, von der Fredrika kaum getrunken hatte.
» Sie werden sicher verstehen, dass ich noch ein paar andere Dinge zu tun habe«, sagte sie. » Wenn Sie keine weiteren Fragen haben…«
Fredrika zog eine Visitenkarte aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch.
» Sie können mich jederzeit anrufen«, sagte sie abschließend.
Teodora nickte wortlos, doch beide wussten, dass dies nie geschehen würde.
Als sie wieder in dem dunklen Flur standen, fragte Fredrika: » Hat Ihr Sohn noch Dinge hier im Haus?«
Wieder verzog Teodora den Mund.
» Natürlich hat er das. Es ist ja schließlich immer noch sein Zuhause. Er hat im oberen Stock ein eigenes Zimmer.« Und ehe Fredrika sich dazu äußern konnte, fuhr sie fort: » Sofern Sie nicht im Besitz eines Durchsuchungsbefehls sind, möchte ich Sie bitten, jetzt zu gehen.«
Fredrika bedankte sich
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