Aschenputtel: Thriller (German Edition)
würde ihn gern wiedersehen und freute sich darüber, dass der Wunsch auf Gegenseitigkeit beruhte.
Ein wenig hatte sie gezweifelt, als es auf die Abreise zuging. Sie hatten versucht, sich jeden Tag zu sehen, und zwar immer dann, wenn die Kinder anderweitig beschäftigt waren. Sie hatten nicht miteinander geschlafen, aber er hatte sie zwei Mal geküsst. Am Ende war Ellen diejenige gewesen, die es am letzten Abend zur Sprache brachte.
» Sehen wir uns in Stockholm, wenn wir wieder zu Hause sind?«
Sein Blick war ein wenig weggerutscht, weg von ihr.
Verdammt, hatte Ellen sofort gedacht.
Dann hatte er sich aufgerichtet.
» Ich arbeite viel«, hatte er schließlich langsam gesagt. » Sehr viel. Ich würde dich gern wiedersehen, aber ich kann wirklich nichts versprechen.«
Ellen hatte ihm versichert, dass sie keine Versprechungen brauchte, ganz und gar nicht. Sie hatte nur wissen wollen, ob es überhaupt eine Chance gebe. Die gebe es, hatte er versichert und war offensichtlich erleichtert gewesen, dass sie ihm keine Garantie abverlangte. Außerdem wohnte er nicht in Stockholm, war aber durch seine Arbeit sehr oft dort. Er würde sie anrufen, wenn er das nächste Mal in der Hauptstadt war.
Eine Woche war vergangen, und der verregnete Sommer war Tatsache geworden. An einem dieser vielen regnerischen Tage hatte er angerufen, und seither konnte Ellen nicht mehr aufhören zu lächeln. So furchtbar dämlich, aber auch so befreiend herrlich. Das Einzige, was ihre Freude ein wenig trübte, war, dass sie sich leider wirklich so selten sahen, wie er angedeutet hatte, und dass er kein Interesse an ihren Kindern zeigte. Aber auch das konnte sie verstehen. Es ginge zu schnell und würde ihre gerade erst wachsende Beziehung zu sehr belasten, wenn sie ihn sofort zu einem Teil des Lebens ihrer Kinder machte. Es war viel vernünftiger, so redete Ellen sich ein, wenn sie sich, so wie er es immer vorschlug, in seinem Hotelzimmer trafen. Sie gingen aus und aßen in teuren Restaurants, und dann gingen sie auf sein Zimmer.
Nachdem sie die erste Nacht zusammen verbracht hatten, war Ellen sich ganz sicher: Diesen Mann würde sie nicht ohne Weiteres wieder aufgeben. Er war einfach zu gut, um wahr zu sein.
Ellen blätterte ihren Tischkalender zurück zu dem Tag, da sie aus der Türkei zurückgekommen war. Fünf Wochen waren seither vergangen. In diesen fünf Wochen hatten sie und ihre neue Liebe sich vier Mal gesehen. Dafür, dass er nicht in der Stadt wohnte, war das doch ein recht solider Anfang, fand Ellen, und ihre Freundin, die sich um die Kinder kümmerte, wenn sie zu ihren Verabredungen ging, hatte ihr beigepflichtet. » Ich freue mich so für dich!«, hatte sie gejubelt.
Ellen hoffte inständig, dass der Enthusiasmus ihrer Freundin von Dauer wäre, denn es sah ganz so aus, als würde sie bald wieder einen Babysitter brauchen. Doch als sie sich gerade nach ihrem Handy ausstreckte, um ihren Liebsten anzurufen, klingelte das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Es war die Einsatzzentrale, die sie bat, einen eingehenden Hinweis zu der verschwundenen Lilian Sebastiansson anzunehmen.
Sobald der Anruf auf ihrer Leitung war, hörte Ellen die dünne Stimme einer Frau.
» Es geht um das Kind, das verschwunden ist.«
» Ja?«
» Ich glaube…«
Schweigen.
» Ich glaube, ich weiß, wer das getan hat.«
Wieder Schweigen.
» Ich glaube, es könnte ein Mann sein, den ich mal kannte«, sagte die Frau schließlich leise.
Ellen runzelte die Stirn. » Wieso glauben Sie das?«, fragte sie vorsichtig.
Ellen konnte die Frau atmen hören, und sie bemerkte, wie sie zögerte fortzufahren.
» Er war so furchtbar schlimm«, sagte die Frau. » So wahnsinnig…«
Wieder Schweigen.
» Er hat immer davon geredet, das mal zu machen.«
» Wie bitte?«, fragte Ellen. » Ich glaube, ich verstehe Sie nicht richtig. Wovon hat er geredet?«
» Alles richtigzustellen«, flüsterte die Frau. » Er hat davon geredet, die Gerechtigkeit wiederherzustellen.«
Es klang, als würde die Frau weinen.
» Gerechtigkeit in welchem Zusammenhang?«
» Er hat immer gesagt, es gibt Frauen, die… Dinge getan haben… und die ihre Kinder nicht verdienen«, sagte die Frau heiser. » Das war es, wofür er Gerechtigkeit wollte.«
» Er wollte ihnen ihre Kinder wegnehmen?«
» Ich habe nie verstanden, wovon er redete. Ich wollte auch nie zuhören«, sagte die Frau, und nun war Ellen ganz sicher, dass sie weinte. » Und er hat so hart zugeschlagen, so hart. Er hat geschrien,
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