Aschenputtel: Thriller (German Edition)
durch den Regen und den seltsam dunklen Himmel geschützt, in dem Auto, das sie und der Mann nur für ebendiesen Zweck gekauft hatten.
Sie war so aufgeregt, dass sie kaum stillsitzen konnte. Endlich war es so weit. Nach all dem Planen, all dem Warten würde es endlich geschehen.
Ein Lächeln spielte auf ihrem mageren Gesicht, ein Blubbern von Glück, das nicht enden wollte, um Aufmerksamkeit buhlte und darum flehte, ihren Körper in Besitz nehmen zu können. Aber der Mann war in seinen Anweisungen ungeheuer deutlich gewesen, genauso wie immer.
» Wir gönnen uns keinen Vorschuss, Puppe«, hatte er geflüstert und seine starken Hände um ihr Gesicht geschlossen. » Wir feiern gar nichts, überhaupt nichts, ehe alles im Kasten ist. Vergiss das nicht, Puppe. Jetzt keine Fehler! Nicht jetzt, da wir so nah dran sind!«
Andächtig hatte sie ihm direkt in die Augen gesehen und bei allem, was ihr heilig war, versprochen und geschworen, dass sie ihn nie enttäuschen werde.
» Liebst du mich?«, hatte er gefragt.
» Ja«, hatte sie heiß und sehnsüchtig geflüstert. » Ich liebe dich so sehr!«
Sein Griff um ihr Gesicht war fester geworden.
» Ich habe gefragt, ob du mich liebst, Puppe. Diese Frage beantwortet man am besten in einem Wort. Benutze niemals mehr Worte, als nötig sind. Das kann dich richtig reinreiten.«
Sie hatte versucht, zwischen seinen strengen Händen zu nicken, wollte ihm alles recht machen.
» Ich weiß«, hatte sie geantwortet, » ich weiß. Aber jetzt, da doch nur wir hier sind… Ich möchte so gern sagen, wie sehr ich dich liebe, nicht nur, dass ich dich liebe.«
Sein Griff hatte sich verhärtet, und es hatte angefangen wehzutun. Langsam hatte er sie bis an seinen Brustkorb hochgezogen, dann zu seinem Gesicht. Sie hatte sich auf die Zehenspitzen stellen müssen.
» Es ist schön, dass du das sagen willst, Puppe«, hatte er geflüstert. » Aber wir haben es bereits besprochen. Wichtig ist nicht, was man sagt, sondern was man tut. Wenn ich nicht spüre, wie sehr du mich liebst– wenn du es mir erst sagen musst–, dann ist unsere Liebe nicht viel wert.«
Jelena hatte versucht zu nicken, aber das war unmöglich gewesen, solange er ihren Kopf so fest hielt. Die Tränen waren ihr in die Augen gestiegen, und sie hatte verzweifelt gehofft, dass sie nicht überlaufen würden. Dann wäre der Abend ruiniert gewesen. Und hätte in Schmerzen geendet. In schlimmen Schmerzen.
» Verstehst du, was ich sage?«
Sein Griff hatte sich ein klein wenig gelockert, sodass sie nicken konnte.
» Rede«, hatte er dann in seiner normalen Tonlage gesagt.
» Ich verstehe«, hatte Jelena schnell erwidert. » Ich verstehe.«
Zu ihrem Entsetzen hatte sich der Griff wieder verhärtet.
» Gut, Puppe«, hatte er schließlich gesagt und die Stimme wieder gesenkt. » Denn wenn du es nicht verstehst, wenn ich dir nicht vertrauen kann, dann hast du für mich keinen Wert. Verstehst du das auch?«
Jelena hatte auch das verstanden. Sogar sehr gut.
» Dann reden wir jetzt nicht weiter davon«, hatte er ruhig gesagt und sie losgelassen. Sie hatte wieder Boden unter den Füßen gehabt. Ihre Atmung war leichter geworden. Nur die Halsmuskulatur hatte geschmerzt.
» Du bist doch meine Puppe, oder?«, hatte er noch geflüstert und sich vorgebeugt, um sie zu küssen.
» Ja«, hatte sie gehaucht, zutiefst erleichtert darüber, dass er ihr den Fehler verziehen hatte.
» Wie schön, Puppe. Wie schön.«
Und dann hatte er sie sanft, aber bestimmt ins Schlafzimmer geschoben.
Jelena hielt das Lenkrad fest umklammert, als sie sich daran erinnerte, wie sie sich im Bett vereint hatten, beide von der Freude darüber, dass sie den ersten Schritt vollzogen hatten, schier überwältigt.
Natürlich hatte der Mann recht. Noch konnte sie nicht aufatmen, noch gab es keinen Grund zur Freude, noch durfte sie nicht riskieren, in der Konzentration nachzulassen. Aber wenn sie erst fertig waren…
Bei dem Gedanken lief Jelena ein Schauer über den Rücken. Es konnte gar nicht anders als fantastisch werden. Es ging gar nicht anders.
Das Auto glitt problemlos über die Straße. Und das, obwohl Jelena nicht einmal einen Führerschein besaß. Sie begegnete so gut wie keinem anderen Fahrzeug. Weder vor sich noch hinter sich sah sie eines. In der Rolle, die sie jetzt gerade spielte, fühlte sie sich sicher. Wenn sie es genau bedachte, war dieser Moment fast schon kinderleicht. Sie musste sich einfach nur daran halten, was sie beschlossen hatten.
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