Aschenputtel: Thriller (German Edition)
häufiger über Viktoria. Die Beziehung zu der Frau aus dem Kurs war tatsächlich in die Brüche gegangen, aber Erik hatte, was nicht weiter erstaunlich war, eine neue Frau getroffen und beschlossen, noch ein wenig zu bleiben. Inzwischen wohnte er nun schon zwei Jahre dort, und Alex hatte ihn die ganze Zeit über nicht gesehen.
Wir sollten endlich einmal hinfahren, dachte Alex bei sich, als er im Taxi saß. Zeigen, dass er uns wichtig ist. Damit er vielleicht wieder nach Hause kommt. Damit wir ihn nicht verlieren.
Gedankenverloren sah er durch das Autofenster hinaus. Die Sonne schien. Alex musste schlucken. Der Sommer hatte sich einen beschissenen Tag für seinen Einstand ausgesucht.
Ein schmerzhaft helles Stockholm umfing Peder Rydh vor dem Haus von Sara Sebastiansson. Es ging ihm so richtig dreckig, der ganze Körper tat ihm weh. Das Schreien und Weinen von Sara Sebastiansson hallte immer noch in seinem Kopf wider. Die Arme, dachte er bei sich selbst. Er weigerte sich, er konnte, er wollte sich nicht vorstellen, dass etwas Vergleichbares auch ihm geschehen könnte. Peders Kinder würden niemals verschwinden. Diese Kinder gehörten ihm und niemandem sonst. Er versprach sich selbst hoch und heilig, in Zukunft besser auf sie aufzupassen, als er es bisher getan hatte.
Das Geräusch der sich öffnenden Tür hinter ihm ließ ihn zusammenzucken. Sara Sebastianssons Vater trat unsicher auf den Bürgersteig und blieb direkt an der Hauswand stehen. Peder hätte schwören können, dass der Mann in der Viertelstunde, die vergangen war, seit Peder und der Pfarrer die Wohnung betreten hatten, um Jahre gealtert war. Sein graues Haar wirkte auf einmal stumpf, und sein Blick war so voller Verzweiflung, dass es Peder schwerfiel, ihm in die Augen zu sehen. Und dann schämte er sich noch mehr dafür, dass er in seinem fahruntüchtigen Zustand schon wieder ein Taxi rufen musste.
» Sagen Sie mir«, sagte der ältere Mann, ehe Peder Gelegenheit hatte, das Schweigen zu brechen, » sagen Sie mir, gibt es eine Möglichkeit, dass es vielleicht gar nicht unser kleines Mädchen ist, das man da gefunden hat?«
Peder schluckte und merkte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte, als er sah, dass der andere Mann weinte.
» Wir glauben es kaum«, antwortete er heiser. » Mithilfe von Bildern haben wir sie fast sicher identifizieren können. Und dann ist da ja auch noch die Sache, dass sie keine Haare mehr hatte, als sie gefunden wurde… Es tut mir leid…« Er rang nach Atem. » Wir betrachten die Identität des Kindes natürlich nicht als gesichert, ehe Sie es selbst angeschaut haben. Aber wir haben, wie gesagt, kaum noch einen Zweifel.«
Saras Vater nickte langsam. Die Tränen fielen wie schwere Regentropfen auf seinen dunklen Pullover, und die Punkte wuchsen zu feuchten Flecken, die seine schon müden Schultern noch mehr beschwerten.
» Wir haben die ganze Zeit gewusst, dass es ein böses Ende nehmen würde, meine Frau und ich«, flüsterte er, und Peder trat einen Schritt näher. Er steckte die Hände in die Taschen, ertappte sich aber selbst dabei und zog sie wieder heraus.
» Wissen Sie«, sagte der Mann, » meine Frau und ich, wir haben nur Sara. Und wir haben es gespürt, ja, wir haben es sofort gespürt, als Sara diesen Mann kennengelernt hat, dass das nicht gut ausgehen würde.«
Seine Stimme zitterte, und der Blick entschwand in die Ferne, weit an Peder vorbei.
» Am selben Tag noch, als sie ihn uns vorgestellt hat, da habe ich zu meiner Frau gesagt: Das ist kein guter Mann für unser Mädchen. Aber sie waren ja so verliebt. Oder besser gesagt: Sie war verliebt. Und das, obwohl er fast sofort angefangen hat, ihr wehzutun. Ganz zu schweigen von dieser Hexe von seiner Mutter.«
Peder runzelte die Stirn. » Den Polizeiberichten zufolge hatte es ein paar Jahre gedauert, ehe er anfing, sie zu misshandeln. Dann war das also nicht so?«
Der ältere Mann schüttelte den Kopf.
» Anfangs hat er sie nicht geschlagen, nein, aber es gibt ja noch andere Methoden, einem anderen Menschen wehzutun. Er hatte zum Beispiel die ganze Zeit über andere Frauen. Fast von Anfang an. An manchen Abenden verschwand er einfach, ohne zu sagen, wohin, und war dann das ganze Wochenende weg. Und sie hat ihn immer wieder aufgenommen. Immer wieder. Und dann bekamen sie Lilian. Da saß sie dann sozusagen fest.«
Dem alten Mann wurde plötzlich die Luft zu schwer zum Atmen, und sein Körper verkrampfte. Als er ausatmete, sackten seine Schultern hinab, und
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