Aschenputtel: Thriller (German Edition)
ausgeliehen, und wie lange wollte sie es haben?«, fragte er stattdessen.
Der Mann wirkte unsicher.
» Was soll das heißen«, fragte er und sah Peder verwirrt an, » welches Auto hat sie sich ausgeliehen? Sie wollte kein Auto ausleihen.«
» Ach?« Peder sah den Autovermieter einfältig an. » Und was wollte sie dann hier?«
» Sie wollte den Führerschein machen. Aber das war, bevor ich das mit der Fahrschule angefangen hatte, und deshalb habe ich sie gebeten, in der ersten Juliwoche wiederzukommen. Aber sie ist nie erschienen.«
Peders Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
» Sie wollte den Führerschein machen?«, fragte er nach.
» Genau«, erwiderte der Autovermieter und schlug seinen Kalender zu.
» Hat sie ihren Namen genannt?«, fragte Peder, auch wenn er die Antwort schon kannte.
» Nein, warum sollte sie? Ich konnte sie ja noch nicht eintragen. Da hatte ich ja noch nicht alle Papiere beisammen.«
Peder seufzte.
» Erinnern Sie sich noch an irgendetwas anderes, das von Bedeutung sein könnte?«, fragte er wie im Reflex.
» Nein, nichts weiter als das«, antwortete der Autovermieter und strich sich mit der einen Hand über den Bart und mit der anderen über den Bauch. » Sie sah verdammt verängstigt aus, und sie war blass und irgendwie… verhärmt. Ihre Haare waren unnatürlich dunkel. Fast schwarz. Bestimmt gefärbt. Und sie hatte Schläge bekommen.«
Peder merkte auf.
» Sie hatte einen blauen Fleck im Gesicht«, fuhr der Mann fort und zeigte auf seine linke Wange. » Kein neuer Bluterguss. War bestimmt schon eine Weile alt. Sah übel aus. Muss ziemlich wehgetan haben.«
Im Büro wurde es still. Die Tür hinter Peder ging auf, und ein Kunde kam herein. Der Autovermieter bedeutete dem Mann zu warten.
» Dann gehe ich jetzt besser wieder«, sagte Peder. » Fällt Ihnen noch irgendetwas ein?«
Der Autovermieter kratzte sich nachdenklich den Bart.
» Nein. Nur dass sie komisch geredet hat.«
» Komisch geredet?«, echote Peder.
» Hm. Sie redete irgendwie nicht richtig zusammenhängend. Aber das war wahrscheinlich, weil sie so viele Schläge abgekriegt hat. So lernen die Frauen, dass sie am besten die Klappe halten.«
Als Peder und Fredrika das Polizeigebäude verlassen hatten, hatte Alex ein Gefühl überfallen, wie wenn früher einmal die Kinder abends zu einem Freund gegangen waren. Alles war plötzlich so still und ruhig gewesen.
Peder und Fredrika waren zwar nicht die Einzigen, die auf dem Flur arbeiteten, wo auch Alex’ Büro lag, aber er hatte ihre Abwesenheit doch deutlich gespürt.
Seine Frau rief ihn auf dem Handy an.
» Wie wird das jetzt eigentlich mit unserem Urlaub?«, fragte sie. » Ich meine, bei dem Fall, an dem du gerade arbeitest. Die vom Reisebüro haben angerufen und wollten, dass ich die Reisedaten bestätige und bezahle.«
» Es wird schon werden« sagte Alex beschwichtigend.
» Sicher?«
» Hätte ich je in diesen Dingen gelogen?«
Er lächelte und wusste, dass auch sie lächelte.
» Kommst du heute spät?«
» Wahrscheinlich schon.«
» Vielleicht könnten wir grillen«, schlug Lena vor.
» Vielleicht könnten wir nach Südamerika fahren.«
Alex war selbst erstaunt, dass er es aussprach. Aber er nahm die Worte nicht zurück, sondern ließ sie zwischen ihnen hängen.
» Was hast du gesagt?«, fragte Lena schließlich.
Alex merkte, wie sich ihm die Kehle zusammenschnürte.
» Ich meine nur, wir sollten einmal hinreisen und unseren Sohn besuchen. Damit er sieht, dass wir noch leben.«
Alex’ Frau schwieg eine Weile.
» Das sollten wir wirklich«, sagte sie dann leise. » Vielleicht im Herbst?«
» Vielleicht im Herbst.«
Die Liebe zu einem Kind ist etwas Besonderes, dachte Alex, nachdem er das Gespräch beendet hatte. Die Liebe zu einem Kind war so fundamental, so überhaupt nicht verhandelbar. Manchmal dachte Alex, dass es nur die Liebe zu den Kindern war, die möglich gemacht hatte, dass Lena und er bald dreißig Jahre lang verheiratet waren. Was sonst konnte der Grund sein, dass sie jeden Rückschlag, jede Zeit der Ödnis und des grauen Alltags überstanden hatten?
Zwar war Alex der Chef; trotzdem bekam auch er etwas von dem Tratsch mit, der auf den Fluren kursierte. Er wusste, was über Peder erzählt wurde: dass er ein Verhältnis mit einer Kollegin von der Södermalmspolizei hatte. Alex selbst hatte seine Ehefrau niemals betrogen, aber er konnte sich denken, wie man in so eine Situation geriet.
Wenn man so richtig traurig war. Wenn man von
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