Aschenputtelfluch
nach vorne, bis ihr Oberkörper eins wurde mit ihren Beinen.
»Wieso, bist du bei einer eingeladen?«
Täuschte ich mich oder zuckten ihre Mundwinkel?
»Nein!«
»Hätte mich auch gewundert.«
Die roten Haare fielen wie ein Vorhang über die Stirn, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte.
Ihr Verhalten gab mir einen Stich ins Herz. Okay, das war’s wohl. Denn wenn ich eins aus der Geschichte mit Jasper gelernt hatte: NIE, NIE WIEDER würde ich jeman den so anbetteln.
Außerdem stand auf der Einladung PSSSST! Und Haupt sache ICH war eingeladen. Meine Stimmung hob sich. Ich war gerade dabei, die Schultasche für den nächsten Tag zu packen, als Meg zu meiner Überraschung fragte: »Wie fin dest du Nick?«
»Nikolaj?«
»Ja, genau, Nikolaj.«
Meg sagte nichts ohne Absicht, so viel hatte ich schon ka piert. Sie verschwendete keine Worte. Sätze waren für sie wie Geld – sie überlegte genau, wofür sie diese ausgab.
»Warum?«
»Er quatscht dich ständig an, obwohl ich keine Ahnung habe, warum.«
Warum nicht, wollte ich schon dagegenhalten, aber ich konnte mich beherrschen.
»Na ja«, sagte ich vorsichtig, »er ist nett!«
»Nett? Nett sind Kuscheltiere!« Meg erhob sich vom Bett und ging an ihren Schreibtisch. »Nikolaj ist ein Geschenk Gottes an die Frauen.«
Ich dachte nur: Stimmt!
»Aber er hat nicht auf dich gewartet.«
Sonjas Anspielung schoss mir durch den Kopf, Meg hätte etwas mit Nikolaj. War etwas an der Sache? War Meg ei fersüchtig auf mich? Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut.
»Schaust du heute Abend mit mir Popstars?«, fragte Emilia beim Abendessen und schaufelte wie üblich eine Portion Cornflakes in sich hinein.
»Sag mal, isst du nie etwas anderes?«
»Wieso, heute Mittag habe ich Spaghetti gegessen.«
»Weil es mittags keine Cornflakes gibt.«
»Stimmt!«
»Warst du schon einmal auf einer Pyjamaparty?«, mur melte ich.
Die Frage rutschte mir einfach so heraus. Aber Emilia schien vollkommen ahnungslos.
»Nö«, meinte sie. »Ich hätte auch nichts anzuziehen. Ich schlafe nackt.« Danach lachte sie sich halb tot.
»Ihh«, Sonjas Quiekestimme erklang über den Tisch. »Emilia schläft nackt.«
Der ganze Tisch lachte und Emilia – sie lachte einfach mit. Ihre kurzen Löckchen – in der derselben Farbe wie die Schokoflakes – wippten.
»Macht dir das nichts aus?«, fragte ich.
»Was?«
»Wenn alle über dich lachen.«
»Nein! Ich nehme mich ja selbst nicht ernst.« Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. »Und das solltest du auch nicht.«
»Wenn ich es nicht tue, wie soll mich dann ein anderer respektieren?«
»Respekt hat man immer vor Leuten, die man eigentlich fürchtet, sagt meine Mutter. Die kommt aus Italien. Da gibt es nur Liebe oder Hass. Aber Respekt«, Emilia reckte beide Hände in den Himmel: »Rispetto! Was ist das?« Und dann: »Also, schaust du nun mit mir Popstars oder nicht?«
»Nein«, log ich. »Ich bin müde.«
Viel Auswahl hatte ich nicht gerade für die Party. Ich muss te mich entscheiden zwischen einem riesigen olivgrünen Flanellnachthemd, das gut gepasst hätte, wenn ich mit meiner Bundeswehreinheit zum Zelten gehen wollte, und einem orangefarbenen Schlafanzug, auf dem Snoopy mit riesiger Sonnenbrille surfte. Mammi hatte ihn bei H&M gekauft in dem Wahn, das sei süß. Ich entschied mich für Snoopy.
Als ich mich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlich, hatte ich den Eindruck, dass Meg schlief. Überhaupt schie nen alle entweder schon auf der Party zu sein oder sie schliefen. Oder die dicken alten Mauern verschluckten jegliche Geräusche. Klösterliche Stille lag über Flur und Treppenhaus.
Mir war kalt. Ich konnte nicht glauben, dass wir Mitte September hatten. Hey, das fühlte sich an wie Sibirien. Die se Mauern erfüllten nur eine Aufgabe, die Kälte zu spei chern. Ich fror in meinem Snoopy - Outfit und wünschte mir, ich hätte einen Pulli darübergezogen. Nicht nur der Kälte wegen, sondern auch, weil ich mir albern vorkam. Ich trug meine Zebrahausschuhe, riesige Plüschdinger von C&A. Ehrlich, ich hatte Mammi wirklich lieb, aber ihr Geschmack war dermaßen katastrophal, dass man eine Gehirnwäsche bei ihr durchführen müsste, um das zu ändern.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: umdrehen und wieder ins warme Bett abtauchen oder über mich selbst lachen – wie Emilia. Ich entschied mich für das Letzte und grinste vor mich hin, während ich unter den strengen Blicken ehe maliger Äbte die Steinstufen nach oben
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