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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
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überhaupt so für sie? Du kennst sie doch gar nicht.«
    Wie soll ich Elsa erklären, dass man jemanden, den man verletzt im Moor gefunden hat, nicht einfach so vergessen kann? Auf unterschiedliche Weise hat das Monster unseren Weg gekreuzt und seitdem fühle ich mich ihr verbunden.
    »Ich muss einfach wissen, wer sie ist und warum ihr das passiert ist. Warum es dir passiert ist …«
    »Pech?«
    Ich schüttle den Kopf. »Das reicht mir nicht.«
    Seufzend richtet sich Elsa auf und zieht die Knie an, die sie mit den Armen umschlingt. »Ich kann dir wirklich nicht viel erzählen. Ich weiß auch nur das, was alle wissen. Sie ist superhübsch, modelt nebenbei. Sie fehlt immer mal wieder, weil sie Shootings hat und dazu nach Berlin und Frankfurt oder sonst wohin fahren muss. Manche sagen, sie wäre eingebildet, aber ich denke, sie ist einfach zurückhaltend.«
    »Was hat sie wohl allein im Moor gemacht?«
    »Das Gleiche wie du?«
    Daran habe ich gar nicht gedacht. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass auch noch andere einfach im Moor spazieren gehen könnten. Für gewöhnlich pflegennur wenige andere Jugendliche meine Spleens. Elsa ist auch nur auf dem Heimweg vom Scherbenberg gewesen, denn sie teilt Mutschs Abneigung gegen das Moor. Tante Luise war außerdem immer der Meinung, die Gefahr, dass sich Elsa auf dem unsicheren Grund etwas bricht, sei zu groß. Das könne sie sich nicht leisten. Dass Elsas Ballettkarriere jetzt doch vorbei ist und es im Moor geschehen ist, scheint böse Ironie.
    »Ich weiß nicht, Elsa. Es muss doch eine Verbindung zwischen euch geben. Ich kann nicht glauben, dass es keine Rolle spielt, wer ihr seid und was ihr macht. Nicht, wenn da diese Zettel sind …«
    Genervt legt sie den Kopf schief. »Vielleicht nimmst du das auch zu ernst, vielleicht haben die Zettel gar nicht so viel zu bedeuten. Was, wenn sie gar keine Botschaft sind, sondern eben nur ein paar Zitate, die ihm gefallen haben? Mach dich deswegen doch nicht verrückt.« Ihre Stimme ist sanft, aber eindringlich geworden.
    »Wirst du sie besuchen gehen?«
    »Nina? Sicher nicht.«
    »Aber vielleicht könnt ihr zusammen herausfinden, ob ihr irgendwelche Gemeinsamkeiten habt. Irgendetwas, das den Täter auf euch aufmerksam gemacht hat. Ich habe der Polizei gestern erzählt, dass du diesen merkwürdigen Anruf bekommen hast, die wollen dem mal nachgehen …«
    »Wie du dich anhörst!«, sagt sie nun beinahe ärgerlich.»Was bist du? So eine Art Detektiv? Ich habe dir doch gesagt, dass das nur ein Idiot ist.«
    Ich wünschte ja, ich könnte die Sache so verdrängen wie Elsa, aber das gelingt mir eben nicht. Ich öffne gerade den Mund, um ihr das zu sagen, da klopft es plötzlich an der Fensterscheibe und wir fahren erschrocken zusammen. Eine Sekunde lang starren wir hinüber zum Fenster, hinter dem sich ein Schatten bewegt, der durch den wilden Wein nur schlecht zu erkennen ist.
    Keine von uns bewegt sich, und ich weiß genau, dass wir beide an das Monster denken, das aus dem Moor aufgetaucht ist. Ob es zu Ende bringen will, was es dort angefangen hat? Auch beim zweiten Klopfen, diesmal gegen die Haustür, zucken wir zusammen.
    »Hallo!«, dringt es durch die Tür. Der Rufer klingt jung und die Stimme kommt mir irgendwie vertraut vor.
    Mit klopfendem Herzen stehe ich auf und gehe hinüber, um zu öffnen. Als ich die Hand nach der Klinke ausstrecke, murmle ich: »Wir sind ja zu zweit«, auch wenn Elsa mit ihrem verletzten Fuß wohl kaum eine Hilfe ist, sollte da draußen wirklich ein Angreifer stehen.
    Doch es ist nicht das Monster. Es ist Ninas Bruder.
    Und mir bleibt fast die Luft weg, weil ich schon wieder vollkommen unvorbereitet in dieses Gesicht sehe, das eine so eigenartige Wirkung auf mich hat.
    An diesem Tag trägt er eine Baggyhose, dazu ein blaues T-Shirt mit einem Aufdruck, der sich in weißen Lettern über die gesamte Vorderfront zieht: Wer seinen Fantasien nicht gewachsen ist, sucht Trost in der Wirklichkeit . Ich muss es zweimal lesen, um es zu verstehen.
    »He«, sagt er und steckt die Hände in die Hosentaschen.
    »He«, antworte ich und tue das Gleiche.
    »Deine Mutter hat gesagt, dass du hier bist, ich war erst drüben. Im Krankenhaus waren sie so nett, mir einen Tipp zu geben, wo ich dich finde.« Mit einer Kopfbewegung deutet er zum Herrenhaus. »Ich wollte nur mal kurz vorbeikommen, um mich zu bedanken für das, was du getan hast. Wegen Nina …«
    »Das war ja gar nichts«, wiegle ich ab, dann fällt mir nichts
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