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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
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mehr ein. Ich würde ihn gern nach seiner Schwester fragen, aber ich weiß nicht genau, wie.
    Zwei Zinnfiguren gleich, stehen wir uns gegenüber, bis Elsa ruft: »Wollt ihr ewig da rumhängen?«, woraufhin ich ihn verlegen hereinbitte, weil ich nicht früher daran gedacht habe.
    Ich deute zum Sofa. »Das ist Elsa, meine Cousine. Kennt ihr euch vielleicht von der Schule her?«
    »Nein«, sagt Tobi, »ich gehe auf eine andere Schule als meine Schwester.«
    Dann ist es wieder still zwischen uns, denn auch er scheint noch zu überlegen, was es jetzt noch zwischen uns zu besprechen geben könnte, nachdem er das Offensichtliche erledigt hat. Vielleicht haben ihn auch nur seine Eltern hergeschickt, um sich bei mir zu bedanken, denke ich enttäuscht.
    »Magst du einen Tee oder irgendwas?«, frage ich in die peinliche Stille, aber Tobi hebt abwehrend die Hand.
    »Nein, danke. Ich wollte dich noch etwas fragen, ob … ob dir vielleicht etwas eingefallen ist, ich meine … vielleicht kannst du dich inzwischen an irgendwas erinnern, das du der Polizei gestern nicht gesagt hast.«
    Rasch schaue ich zu Elsa hinüber, doch sie hat wieder ihr Maskengesicht aufgesetzt. Regungslos und unlesbar. Gespannt warte ich darauf, dass sie ihm von der Mail erzählt, aber das tut sie nicht. Dafür legt sie bestimmt fest: »Es gibt nichts mehr dazu zu sagen. Tut uns leid.«
    So leicht gibt Tobi jedoch nicht auf. »Wirklich?« Sein Blick wird genauso eindringlich wie am Tag zuvor, und für einen Moment überlege ich, ob ich ihm davon erzählen soll. Doch ich habe das Gefühl, dass Elsa es mir übel nehmen würde, also lasse ich es, obwohl ihn offenbar dieselben Fragen umtreiben wie mich.
    Stattdessen frage ich endlich: »Wie geht es deiner Schwester?«
    »Die Ärzte sagen, dass die Wunde verheilen wird. Natürlich wird die Narbe nie ganz verschwinden, aber mit Make-up …« Er zuckt mit den Schultern. »Sie hat noch Glück gehabt, weil keine der wichtigen Gesichtsnerven oder Sehnen verletzt wurden.«
    »Das ist doch gut.«
    »Ja. Aber ihre Karriere als Model ist wohl vorbei. Das hat sie jahrelang gemacht. Ich glaube, sie hat angefangen, als sie acht war oder so …« Beinahe nachdenklichlässt er den Blick über die alten Dielen schweifen, als hätte er Schwierigkeiten, sich daran zu erinnern.
    »Ja, sie ist ein Schneewittchentyp, das ist sicher gefragt«, meine ich, und er sieht mich ganz komisch an.
    »Das stand auf dem Zettel. So hat es uns die Polizei jedenfalls erzählt. Spieglein, Spieglein an der Wand …«
    Als er den Spruch zitiert, überläuft es mich kalt.
    »Was sollen die Märchensprüche?« Nachdenklich wendet er sich an Elsa. »Könntest du nicht mal mit Nina reden?«
    »Wozu?«
    Mit halb zusammengekniffenen Augen beobachtet Tobi Elsa, die ebenso intensiv zurückstarrt, grau gegen blau, und es kommt mir wie ein stummes Kräftemessen vor. Ihre Blicke verhaken sich ineinander, während ich Zeuge dieses Duells bin. Die Amazone hat irgendein Problem mit dem Hexer, ich bin mir nur nicht sicher, welches.
    »Lasst uns doch einfach in Ruhe«, murmelt Elsa nach einigen Momenten, und mit diesen Worten humpelt sie plötzlich an uns vorbei und zur Tür hinaus. Sie lässt uns allein im Gästehaus zurück, der klägliche Rest ihres angefangenen Brötchens liegt auf der Flohdecke, und ich sehe ihr ein bisschen ratlos nach. Ob ich ihr folgen soll? Doch in dieser Stimmung hat das wahrscheinlich keinen Sinn, dazu kenne ich sie zu gut. Sie muss erst mal Dampf ablassen.
    Dafür lässt sich Tobi auf dieselbe Stelle auf dem Sofafallen, auf der gerade noch Elsa gesessen hat, bevor ich ihn über die angeblichen Flöhe aufklären kann. »Warum ist sie so abweisend?«, fragt er.
    »Keine Ahnung.«
    Erschöpft setze ich mich neben ihn und auch die Flöhe sind mir in diesem Moment gleich. »Was hat die Polizei zu euch gesagt?«
    »Dass sie alles dafür tun werden, den Täter zu fassen. Sie wollen versuchen herauszufinden, was es mit den Märchenzitaten auf sich hat und was er gegen Nina und deine Cousine gehabt haben könnte. Oder ob sie nur zufällige Opfer waren. Die Polizei geht von einer Beziehungstat aus.«
    »Das bedeutet, dass Nina und Elsa den Täter kennen?«
    Er nickt.
    Ob Elsa Billy kennt? Immerhin ist er ihr Nachbar …
    »Elsa hat behauptet, dass sie mit deiner Schwester nicht viel zu tun hatte.«
    »Das stimmt. Jedenfalls habe ich sie nie bei uns zu Hause gesehen. Sie gehört nicht zu Ninas engeren Freunden. Aber Nina hat ohnehin nicht
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