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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
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irgendwie stets damitrechne, dass mich etwas von hinten anfällt. Während wir im Sonnenschein an den eisbekleckerten Melonenscheiben nagen, versuche ich noch einmal, mit Elsa über die ganze Sache zu reden und auch darüber, ob ihr das Ballett fehlt, aber sobald ich auch nur das Wort Moor in den Mund nehme, lenkt sie auch schon vom Thema ab.
    Als auf dem Rückweg ihr Handy klingelt, wirft sie nur einen kurzen Blick auf das Display und drückt sofort den Anrufer weg. »Unbekannte Nummer«, beantwortet sie meinen fragenden Blick, aber ich habe den Verdacht, dass sie genau weiß, wer dahintersteckt. Vermutlich wieder derselbe Typ mit der verzerrten Stimme, der sie schon die ganze Zeit belästigt.
    Doch Elsa tut so, als wäre nichts geschehen, und den Rest des Tages verbringen wir damit, Großmutter mit den Zucchinibeeten zu helfen, auf denen sich die Schnecken niedergelassen haben, wobei Elsa mit ununterbrochenem Geplapper verhindert, dass die Ereignisse der letzten Zeit zur Sprache kommen.
    An diesem Abend sitze ich vor dem Schlafengehen mit schmerzendem Rücken noch ein paar Minuten im Dunkeln auf der Stufe vor dem Häuschen und werfe einen Blick zum Moor hinüber, über das Elsa kein Wort verlieren will. Im Schein der alten Laterne, die über der Tür angebracht ist, schwirren die Falter und verbrennen sich ihre Flügel. Das Licht reicht kaum aus, um den Weg zu beleuchten.
    Nachts ist das Grundstück noch unheimlicher, dieBäume sind kaum zu erkennen, sie bilden eine schwarze Wand, die alles Licht zu verschlucken scheint. Es sieht aus, als würde man am Rand des Grundstücks einfach in ein schwarzes Loch fallen. Um mich herum zirpen ein paar Grillen und in der Ferne bellen Hunde. Kein Auto ist zu hören und die Stille kommt mir eigenartig vor. Zu Hause gibt es immer irgendwelchen Lärm.
    In diesem Augenblick flackert plötzlich ein zitterndes Licht zwischen den Bäumen auf, das durch den Bruchwald tanzt. Erschrocken fahre ich zusammen.
    Was ist das?
    Ob jemand mit einer Taschenlampe durchs Moor geht?
    Um diese Uhrzeit?
    Billy wird seine Schafe sicher nicht nachts ins Moor führen …
    Ich springe auf und beginne, am ganzen Körper zu zittern. Ob ich Mutsch rufen soll?
    Aber da erlischt das Licht auch schon wieder und es wird dunkel. Am Himmel sind keine Sterne zu sehen, die Wolkendecke reflektiert nur schwach das Licht des Ortes, sodass die Nacht stockfinster ist.
    Habe ich mir das Ganze etwa nur eingebildet oder war da wirklich jemand im Moor unterwegs?
    Wieder habe ich das Gefühl, dass mich etwas aus dem Dunkel heraus belauert und weiche langsam einen Schritt in den Hausflur zurück. Ich kann den Blick fremder Augen auf mir spüren, die mich im Licht der Laternegut sehen können. Trotzdem fällt es mir schwer, die Tür zu schließen … als wäre ich hypnotisiert …
    Wie lange wird es wohl dauern, bis sich das Monster aus seinem Versteck traut und die Wiese überquert, um sich auf mich zu stürzen?
    Doch an diesem Abend kommt keine Gestalt aus dem Moor zu uns herüber. Die Tür fällt ins Schloss und ich bin sicher.
    Für den Moment.



V ier Tage später kappt Großmutter das Festnetztelefon und wir können nur noch über Handy telefonieren. Sie hat das ständige Klingeln und Anschalten des Anrufbeantworters nicht mehr ausgehalten und den Apparat inzwischen in die Speisekammer gesperrt, als könne das Telefon etwas dafür, dass unentwegt Leute bei ihr anrufen. Wenn wir es doch einmal für wichtige Anrufe anschließen, riecht es nach Zwiebeln und Knoblauch.
    Die Presse lässt uns einfach nicht in Ruhe. Ständig will irgendwer ein Statement zu der Geschichte mit Elsa und Nina, nachdem sich herausgestellt hat, dass der erste Überfall keine Einzeltat war. Wilde Spekulationen erheben sich, ob es sich wirklich um einen Serientäter handeln könnte. Schon dreimal ist Elsa auf der Straße von Reportern belästigt worden, weshalb Onkel Gerhardsie nicht mehr allein zum Physiotherapeuten laufen lässt. Und Tante Luise hätte beinahe der Sekretärin vom Bürgermeister die Haustür ins Gesicht geschlagen, weil sie gedacht hat, die Frau kommt von der Zeitung. Vor Schreck hat die Frau einen Präsentkorb fallen lassen, den sie Elsa eigentlich im Namen des Bürgermeisters übergeben sollte, und eine Flasche Apfelwein ist zersprungen, der vor unserer Haustür in die Erde sickerte.
    Großmutter hat gesagt: »So ein Unsinn, was soll das Mädchen denn damit? Sich betrinken? Also, eins ist mal sicher, ich habe diesen Mann nicht
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