Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
Vom Netzwerk:
Primaballerina, dabei hat sie ungefähr so viel Talent wie ein Elefant.« Sie legt das Messer zur Seite. »Deine Mutter ist rübergegangen, um mit Oma zu reden«, sagt sie und humpelt zum Sofa hinüber, wo sie sich fallen lässt. Wieder gleitet mein Blick zu ihrem Fuß, der über der Lehne hängt, als würde er gar nicht zu ihr gehören.
    »Wie geht’s dir denn?«, fragt sie mit vollem Mund, wobei sie Brötchenkrümel auf die Decke spuckt.
    »Ganz gut.« Ich setze mich an den Tisch und schmiere mir ebenfalls ein Brötchen.
    Klebrig-süße Erdbeermarmelade gegen den Stimmungskater und bitterschwarzer Tee zum Wachwerden.
    »Ich hab gehört, was gestern passiert ist, schätze, ich habe noch Glück gehabt, was?«, murmelt Elsa auf einmal, während sie das Brötchen in ihrer Hand ansieht, als wüsste sie nicht recht, wie es dahin gekommen ist. »Ich meine, ist doch scheiße, wenn dir jemand das Gesicht zerschneidet.«
    Ich finde nicht, dass man das vergleichen kann. Mir kommt das, was Elsa zugestoßen ist, auch schlimm vor. Vorsichtig beäuge ich sie und warte darauf, dass sie mir Fragen über die Ereignisse im Moor stellt. Ob ich den Angreifer vielleicht gesehen habe, immerhin muss sie doch vor Neugier brennen.
    Aber stattdessen sagt sie: »Soll ich dir was verraten? Irgendwie bin ich auch erleichtert, dass es jetzt noch jemand anderem passiert ist. Das zeigt doch, dass es nicht an mir liegt, oder?«
    Entsetzt sehe ich sie an. »Natürlich liegt es nicht an dir!«
    »Wahrscheinlich ist es nicht mal was Persönliches, ich war eben nur zur falschen Zeit am falschen Ort, denkst du nicht?«
    Vielleicht .
    Grübelnd mampfe ich das Brötchen, von dem rechtsund links die Marmelade auf meine Finger tropft. Ob der Täter wirklich einfach so im Moor war und dann Elsa überfallen hat, weil sie eben zufällig dort vorbeigekommen ist? Und was wäre geschehen, wenn sie an jenem Tag eine andere Strecke gelaufen wäre? Würde der Täter dann immer noch dort hinterm Busch sitzen und auf ein Opfer warten? Nein, ich denke, dass das kein Zufall war. Und jeder, der Elsa kennt, weiß auch, dass sie Ballett getanzt hat und was es für sie bedeutet, ihren Fuß auf diese Weise zu verletzen.
    »Hast du der Polizei erzählt, dass deine Mailadresse Cinderella@the_castle.de ist?«, frage ich und versuche dabei, möglichst ruhig zu klingen, doch allein meine Frage lässt sie aufblicken und die Augen zusammenkneifen.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wozu soll das gut sein?«
    »Findest du es nicht eigenartig, dass der Täter Aschenputtel zitiert? Gestern … bei diesem anderen Mädchen, das ich im Moor gefunden habe … Da lag auch ein Zettel.«
    Ich warte, ob sie auf diese Nachricht reagiert, aber sie sieht mich nur weiter regungslos an.
    »Soll ich dir sagen, was drauf stand? Es war ein Zitat aus Schneewittchen. Spieglein, Spieglein an der Wand …«
    Mit starrem Gesicht wendet sich Elsa ab. »Vielleichthat der Kerl eine Märchenfixierung oder so. Zu viele Märchen als Kind vorgelesen gekriegt. Wahrscheinlich trägt er gern rote Kappen oder denkt, er ist der achte Zwerg.« Sie lacht gehässig und beißt ein riesiges Stück vom Brötchen ab.
    Ich begreife sie nicht. Warum tut sie so, als wäre das alles nur ein alberner Streich? »Bist du eigentlich gar nicht wütend, Elsa? Willst du nicht, dass der Typ geschnappt wird, der euch überfallen hat? Du solltest das mit der Mail der Polizei erzählen. Vielleicht ist das ja ein Hinweis, der die Polizei zum Täter führen kann.«
    »Was soll das schon bedeuten, Harper? Millionen Menschen kennen Grimms Märchen. Das ist wirklich kein besonders interessanter Hinweis.«
    Wütend werfe ich mein angefangenes Brötchen auf den Teller. »Kennst du dieses Mädchen eigentlich? Ihr Name ist Nina. Und soll ich dir noch was sagen, sie sieht aus wie Schneewittchen! Schwarze Locken, weiße Haut. Hältst du das etwa auch für einen Zufall?«
    Wieder einmal zuckt sie nur mit den Schultern, was mich noch rasender macht.
    »Kennst du sie?«, hake ich nach.
    »Ich denke, sie geht auf meine Schule …«
    »Und?«
    »Ich hab nicht viel mit ihr zu tun, sie ist eine Klasse über mir. Du weißt doch, wie das ist, da sind ein Haufen Typen, mit denen du nie redest. Die einfach so neben dir her leben und du hast nie was mit ihnen zu tun. Manchmalsehe ich sie auf dem Gang, aber das war’s dann auch schon. Mehr gibt’s da nicht.«
    Misstrauisch mustere ich sie.
    »Mensch, Harper, sei doch nicht so. Was interessierst du dich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher