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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
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dass er davonkommt.
    Mahnburg ist keine große Stadt, eigentlich ist es sogar ein Nest, wirklich unbemerkt kann man hier nichts machen, Neuigkeiten gehen schnell von Mund zu Mund. Während wir durch die Straßen und Gassen laufen, erheben sich rechts und links von uns die Backsteinfassaden der alten Fabrikgebäude und Wohnhäuser und ihre Fensterscheiben blitzen in der Sonne. Sie geben nicht preis, was hinter ihren Mauern geschieht, und mehr alseinmal habe ich das Gefühl, dass wir beobachtet werden. Gardinen bewegen sich, obwohl gar kein Wind weht, und Fenster klappen laut über unseren Köpfen. Im grellen Licht der Sommersonne heben sich die Fassaden beinahe schwarz gegen den Himmel ab.
    Die Stadt ist vorsichtig geworden. Sie ahnt, dass in ihrer Mitte ein Monster sitzt, und bei manchem Blick, der uns streift, habe ich das Gefühl, als würden sie es uns übel nehmen, dass so etwas passiert ist. Als wären wir irgendwie daran schuld. Immerhin, denken sie vermutlich, muss Elsa etwas getan haben, das das Monster auf sie aufmerksam werden ließ, und das werfen sie ihr vor. Denn es bringt die beschauliche Ruhe durcheinander. Inzwischen tragen wir die Sonnenbrillen nicht mehr nur wegen der Sonne.
    Weil wir immer noch kein Brot haben, schlagen wir den Weg zum einzigen Supermarkt ein, den es in Mahnburg gibt, und während wir die Fußgängerzone entlangschlendern, entdecke ich plötzlich ein paar Meter vor uns eine bekannte Gestalt. Sie überragt die meisten Leute um Haupteslänge.
    »He, da vorn ist Billy!«, rufe ich überrascht und zeige auf ihn.
    »Harper! Nicht so laut«, zischt Mutsch, aber es ist schon zu spät, denn er dreht sich nach uns um, und ich höre Mutsch neben mir seufzen.
    Als wir ihn erreicht haben, sagt er freundlich »Hallo« und erhält von Mutsch ein undefinierbares »Mmpf«.
    An diesem Tag trägt er eine abgewetzte Jeans und ein einfaches dunkles Shirt, das zeigt, dass er ziemlich muskulös ist. Nicht auf so eine übertriebene Weise, er sieht eben aus, als könne er ein paar Kisten schleppen, ohne aus der Puste zu kommen.
    Oder auch verletzte Mädchen auf den Arm nehmen.
    Bei dem Gedanken daran wird mir wieder ein bisschen schwindlig, und ich atme ein paar Mal tief ein und aus, während sich Mutsch und Billy einen ziemlich kindischen Anstarrmarathon liefern, bis sie die Arme verschränkt und er sich mir zuwendet.
    »Wie geht’s dir, Harper?«
    »Ganz gut.«
    »Und deiner Cousine?«
    »Geht so.«
    Er nickt, dann richtet sich sein Blick wieder auf Mutsch, die nervös am Henkel ihrer roten Handtasche fingert.
    »Und dir?«
    »Wir versuchen, wieder in den Alltag zu finden. Ist gar nicht so einfach, wenn ständig irgendwelche neugierigen Leute versuchen, einen auszufragen.« Sie wirft einen finsteren Blick auf die vorbeigehenden Menschen, als würde jeden Moment wieder einer auf uns zukommen.
    »Sie machen sich nur Gedanken«, erwidert Billy sanft, woraufhin Mutsch ihren Finsterblick nun auf ihn richtet.
    »Nein, tun sie nicht. Sie sind scharf auf eine Story. Wahrscheinlich, weil sonst nicht viel passiert in diesem verdammten Ort.«
    »Du hast immer noch die beste Meinung von Mahnburg, was?« Er scheint amüsiert, aber Mutschs Gesichtsausdruck wird gleich noch ein bisschen düsterer. Wenn sie die Brauen noch weiter senkt, rutschen sie ihr auf die Nasenspitze.
    »Es gibt mir jedenfalls keinen Anlass, besser darüber zu denken. Ich sage dir, das Moor macht die Leute verrückt.«
    »Das ist doch Unsinn, Mutsch«, erwidere ich, obwohl ich selbst manchmal das Gefühl habe, dass das Moor komische Sachen mit einem anstellt.
    In diesem Augenblick läuft eine ältere Frau in einem taubengrauen, geknöpften Kleid dicht an uns vorbei und stößt Billy dabei ihren riesigen Einkaufsbeutel an die Hüfte. Ohne sich zu entschuldigen und mit erhobenem Kinn läuft sie weiter.
    »He! Was soll denn das?«, ruft Mutsch ihr hinterher, aber Billy legt ihr die Hand auf die Schulter und bringt sie so zum Schweigen.
    »Lass nur, Susan.«
    »Na, hör mal, es ist doch nicht zu viel verlangt, wenn man erwartet, dass die Leute sich entschuldigen!«
    »Das hat im Moment keinen Sinn. Sie haben eben gerade andere Dinge im Kopf. Da kann es schon mal ein bisschen rauer zugehen. Sie sind einfach beunruhigt wegendieser ganzen Sache. Das darf man nicht alles so ernst nehmen.«
    »Und das gibt ihnen das Recht, sich so aufzuführen?« Sie sieht ihn scharf an, aber er weicht ihrem Blick aus. »Was geht hier vor, Billy?«
    »Es ist
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