Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
Vom Netzwerk:
gewählt!«
    Daraufhin ist die Sekretärin rot angelaufen und hat die Flucht ergriffen. An diesem Tag kam uns Großmutters Wächterinnenblick mal zugute, und selbst Mutsch musste zugeben, dass man nicht immer nur nett sein kann. Weil einen die Blutegel nämlich sonst aussaugen.
    Aber es sind nicht nur die Zeitungsfritzen, die neugierig auf uns sind. Auch die Stadt hat plötzlich Augen bekommen. Ich kann die Blicke der Mahnburger auf uns spüren, wenn wir einkaufen oder ins Kino gehen. Die Geschichte mit Nina hat schnell die Runde gemacht, und ich bin das Mädchen, das sie im Moor gefunden hat – die Leute wollen Details hören. Am liebsten schmutzige.
    Ganze vier Mal werden Mutsch und ich allein an diesem Tag auf dem Weg zum Bäcker von Leuten angesprochen, die wir gar nicht kennen. Sie drücken uns ihre Anteilnahme aus, aber alles, woran ich denken kann, ist,dass ihre Hände durch das warme Wetter ganz schwitzig geworden sind, wenn sie sie uns reichen.
    Als Mutsch schon die Ladentür zur Bäckerei öffnet, spricht uns ein Mädchen von der Seite an und stellt sich als Laura-Sophie vor. Bei dem Namen horche ich sofort auf.
    Das ist also die Schnepfe aus der Ballettgruppe.
    Sie ist nicht ganz so zierlich wie Elsa, trotzdem kann man erkennen, dass sie tanzt. Sie hält sich unwahrscheinlich gerade, das Kinn erhoben und beim Stehen zeigen ihre Füße mit den Zehen leicht nach außen, als wolle sie jeden Moment in Position gehen.
    »Wie geht es Elsa?«, fragt sie und schaut uns mit ihren grünen Augen besorgt an.
    Ich frage mich, ob ihre Betroffenheit echt ist, oder ob sie wie alle anderen nur darauf wartet, dass wir ihr irgendwelche Skandale erzählen. Wenn sie sich wirklich so viele Gedanken um Elsa machen würde, dann könnte sie ja auch vorbeikommen. Stattdessen schickt sie lieber Pakete.
    »Es geht ihr gut«, sage ich daher schnell, um die Sache abzukürzen, woraufhin Laura-Sophie nickt und nachdenklich das Ende ihres schwarzen Zopfs um den Zeigefinger wickelt.
    »Ich bin froh, das zu hören«, säuselt sie, »es ist ja wirklich schlimm, was da passiert ist … Aber ich nehme an, sie wird jetzt vermutlich nicht mehr zum Ballett kommen können, oder?«
    Mutsch wirft mir einen Blick zu, bevor sie antwortet: »Wer weiß das schon, die Medizin …«
    »… kann ja heute viel«, ergänze ich. »Man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
    »Ja, natürlich, das ist wahr«, sagt Laura-Sophie, während Mutsch und ich sie anlächeln. »Dann sagen Sie ihr doch Grüße von mir, ja?«
    »Aber selbstverständlich.« Mutsch nickt huldvoll, bis sich Laura-Sophie umdreht und geht. »Dieses Mädchen ist so falsch wie jeder Schokotaler«, meint sie zu mir, als wir endlich die Bäckerei betreten. »Das sieht man doch auf einen Blick.«
    »Ich denke, sie ist neidisch auf Elsa, weil sie in der Balletttruppe die Nummer eins war.«
    Grimmig nickt Mutsch – und wird prompt von einer älteren Frau angesprochen, die angeblich mit Großmutters Nachbarin Frau Pauli befreundet ist. Die hat ihr ausführlich vom Großaufgebot der Polizei erzählt, das über unser Grundstück ins Moor gegangen ist.
    Dabei war es gar kein Großaufgebot. Lediglich drei Wagen!
    »Wirklich?« Enttäuscht sieht uns die Frau an, als ich sie korrigiere. »Das war sicher sehr aufregend, bedrohlich, nicht wahr? Wenn da plötzlich diese Männer sind …«
    Bei ihr klingt das Ganze wie in einem Actionfilm – in Wirklichkeit haben sie sich sogar bei Großmutter entschuldigt, weil sie mit ihren Autos ihren Rasen platt gefahren haben.
    »Aber ist es nicht furchtbar, wenn man so ganz in der Nähe von der Stelle wohnt, an der diese schrecklichen Dinge geschehen sind? Wer weiß, wen sie gegrüßt haben und der sich später dann als dieser Psychopath herausstellt …«
    Nach ein paar kurzen Antworten auf die neugierigen Fragen dieser Dame zieht mich Mutsch einfach aus der Schlange und aus dem Geschäft, obwohl wir noch gar kein Brot gekauft haben und uns alle nachsehen, als wären wir durchgedreht.
    Draußen schimpft sie aufgebracht: »Furchtbar, wenn Leute so schnüffeln müssen! Als wäre die ganze Geschichte nur zur Unterhaltung gut. Ich hasse das. Diese Menschen sind einfach so unsensibel.«
    »Vielleicht ist ihr Fernseher ausgefallen«, vermute ich, aber Mutsch winkt nur verärgert ab und geht auf den Witz nicht weiter ein. Bei der Geschichte versteht sie keinen Spaß, und als ein Mann uns einen neugierigen Blick zuwirft, blafft sie ihn an: »Was?«
    Verschreckt macht er,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher