Aschenputtels letzter Tanz
nimmt Zuflucht im letzten Argument aller Eltern, die von ihren Kindern beim Lügen erwischt werden: »Misch dich nicht in Angelegenheiten ein, von denen du nichts verstehst.« Dann geht sie immer schneller, bis ich beinahe hinter ihr herrennen muss und dabei fast meine Flipflops verliere.
Den ganzen Weg heim grinse ich sie an, wenn sie mich ansieht, bis sie mir eine Kopfnuss verpasst, die zum Glück durch mein dickes Haar gedämpft wird.
Aber ich weiß, dass ich recht habe. Mutsch ist verknallt.
Prost Mahlzeit.
A ls wir vom Einkaufen zurückkommen, sitzt Tobi vor dem Gästehäuschen auf den Stufen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt sieht er uns entgegen, während Elsa neben ihm steht und finster auf ihn herabsieht. Die letzten Tage habe ich oft an ihn gedacht und mich gefragt, was er wohl so tut und wie seine Träume aussehen.
Ob sie ebenfalls in dieses milchige Moorlicht getaucht sind, das seit Tagen meine Nächte beherrscht? Folgt er im Schlaf seiner Schwester durch den Bruchwald hinaus auf die freie Torflandschaft, um sie wenigstens dort vor dem Monster zu beschützen? Oder sind seine Träume eine schwarze, kalte Fläche, verschlingend wie das Moor selbst?
Seinetwegen hat es mich geärgert, dass Großmutter das Telefon abgestellt hat, aber ich habe mir gesagt,wenn er wirklich mit mir reden will, dann weiß er ja, wo ich bin.
Und er ist gekommen.
Aber es ist eigenartig, ihn und Elsa nebeneinander zu sehen. Das Ganze wirkt beinahe wie ein Bild aus einem Film. Eine seltsame Spannung liegt zwischen den beiden in der Luft, die mir Magendrücken bereitet.
»Ist das nicht der Junge, der neulich hier war? Ninas Bruder?«, fragt Mutsch, während wir auf sie zugehen.
»Tobi.«
Sie nickt. »Was will er hier?«
»Keine Ahnung.«
Als wir bei ihnen ankommen, murmelt Elsa ein kurzes »He«, dann humpelt sie auch schon zurück zum Herrenhaus, dessen Fenster an diesem Tag weit offen stehen, denn Großmutter kocht Kohl und will nicht, dass das ganze Haus nach Komposthaufen riecht. Verwundert sehen wir Elsa nach, die den Blumenköpfen, an denen sie vorbeikommt, vernichtende Handkantenschläge verpasst.
»Willst du nicht bleiben?«, rufe ich ihr hinterher, aber sie winkt nur ab, ohne sich noch einmal umzusehen. Weitere Blumenköpfe rollen ihr vor die Füße, die sie mit ihrem Klumpfuß erbarmungslos niedertrampelt.
Fragend schaue ich zu Tobi, der sich erhoben hat und nun abwartend vor der Tür steht. »Habt ihr euch gestritten?«
»Nein.«
»Aber?«
Zögernd antwortet er: »Sie wollte nicht, dass ich auf dich warte.«
»Warum?«
»Weiß nicht.«
»Mhm.«
Nachdem Mutsch das Haus aufgeschlossen hat, dirigiere ich Tobi sofort nach oben, während Mutsch die Einkäufe verstaut. »Tut mir leid, aber es ist das einzige andere Zimmer im Haus, außer dem Bad«, sage ich zu ihm, als ich ihn ins Schlafzimmer geschoben habe und er mich etwas irritiert anblinzelt.
Langsam setzt er sich aufs Bett, in dem noch mein Schlafanzug mit den Fliegenpilzen auf dem Kopfkissen liegt, den ich schnell, aber leider nicht besonders unauffällig, darunter verschwinden lasse.
Zum Glück fragt Tobi im selben Moment: »Du hast Ratten?«, und beugt sich nach vorn, um besser sehen zu können, was im Käfig vor sich geht, sodass wenigstens diese Peinlichkeit nicht allzu sehr auffällt. Neugierig blinzelt Tennessee zurück und ich hebe ihn vorsichtig heraus. Er schnuppert an Tobis großem Zeh und läuft dann auf die Tür zu, während Edgar uns misstrauisch aus einiger Entfernung beobachtet.
»Meine Mutter würde ausflippen, wenn ich Ratten anschleppe.«
»Na ja, meiner wäre es auch lieber gewesen, ich hätte mir einen Wellensittich zugelegt.«
Einen Moment lang beobachten wir die Tiere, dann frage ich ihn: »Warum bist du hier, Tobi? Hat die Polizei etwas Neues herausgefunden?«
»Nein. Sie befragen die Leute in der Stadt, aber da gibt es noch nichts Konkretes. Gestern hat irgendwer bei einem Arzt die Fenster eingeschmissen, weil er dafür bekannt ist, dass er gern mal jungen Mädchen hinterherschaut. Aber er hat für die Tatzeiten wohl Alibis gehabt.«
Langsam setze ich mich neben ihn und lege die Hand auf seinen Arm. Seine Haut ist weich und unter meinen Fingerspitzen kann ich den zarten Flaum seiner Härchen spüren. Die Sommerhitze hat seine Haut aufgewärmt und auch auf seinem Unterarm zeigen sich ganz feine Sommersprossen.
Es macht mir nichts aus, ihn anzufassen, im Gegenteil, es ist wie zusätzliches Reden. Als könnte ich ihm so
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