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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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Beinen.
    Â»Dringend?«
    Sie nickte und zog eine Grimasse.
    Ich trat lächelnd beiseite und schlenderte grübelnd zurück in mein Zimmer, schaffte es aber nicht ganz. Ich wurde zuvor mit dem Ausruf »Oh! Mein! Gott!« aufgehalten.
    Â»Was ist los, Mutter?« Ich drehte mich zu ihr um. »Gläubig geworden?«
    Sie überhörte meinen Spott. »Deine Haare!«
    Â»Schön, nicht?«
    Â»Wenn du das meinst …«
    Ich merkte, wie sie ganz und gar nicht damit einverstanden war, wie mit so vielem, was ich derzeit tat, wie sie mit sich selbst kämpfte, ihr aber die AllesmachenlassenEmpfehlung ihres Psychoheinis im Weg stand. Ich freute mich dabei und grinste still in mich hinein. Sollte sie doch sagen, was ihr stank und endlich damit aufhören, mich mit Samthandschuhen anzufassen und wie ein Kind zu behandeln.
    Â»Warum bist du eigentlich noch nicht in der Schule? Es ist schon fast Zehn.«
    So spät schon? »Keinen Bock.«
    Sie kochte innerlich, blieb aber demonstrativ gelassen. »Ich finde, es ist nun wirklich an der Zeit, dass du zu Doktor Uschasnik gehst. Er kann dir helfen, das alles zu verarbeiten, und dass du wieder die bist, die du wirklich bist.«
    Damit lag sie mir schon seit Wochen in den Ohren. Aus welchem Grund auch immer. Bisher hatte ich mich erfolgreich verweigert, zu diesem Psychotherapeuten zu gehen. Für was auch! Ich war überzeugt davon, ihn nicht nötig zu haben. An dem Tag aber kam mir ein kruder Gedanke in den Sinn, dass dieser Doktor Soundso mir vielleicht sagen konnte, warum Anne und ich in genau demselben Traum waren, meinem Traum! Ich beschloss, wenigstens ein Mal hinzugehen, ihm genau diese Frage zu stellen. Wenn er keine Antwort darauf hatte, dann würde mich immerhin meine Mutter in Ruhe lassen. Vielleicht konnte er mir auch ein gescheites Schlafmittel verschreiben, oder etwas spannenderes.
    Â»Alles gut?«, fragte ich Anne, als sie wieder aus dem Badezimmer auftauchte. Meine Mutter hatte inzwischen das Haus verlassen und war auf dem Weg in ihre Kanzlei.
    Anne ging es gut, behauptete sie. Aber ich sah ihr an, dass dem nicht so war. Sie musste von unserem gemeinsamen Traumerlebnis mindestens genau so verwirrt sein wie ich selbst.
    In einem viel zu großen Sessel saß ich Dr. Uschasnik gegenüber. Er stellte sich vor, dabei wurde mir übel, und ich wollte raus, erst einmal durchatmen und rauchen. Doch ich blieb sitzen.
    Nach seinem Monolog schwieg Dr. Uschasnik. Das war mir noch unangenehmer, und mit jedem Augenblick, der in Stille verstrich, rutschte ich unruhiger auf dem Sessel hin und her. Sein Behandlungszimmer hatte ich inzwischen bis ins letzte Detail inspiziert – es war so klischeebehaftet, dass mich fror: braune Holztür, brauner Teppichboden, gelbliche Wände mit abstrakten Gemälden, an einer Seite ein Bücherregal mit Fachbüchern, nach Größen sortiert, ein ordentlich aufgeräumter Schreibtisch, zwei Sessel mit einem kleinen Glastisch dazwischen, worauf ein Taschentuchspender stand – und nun wusste ich nicht, was ich machen sollte, um dieser peinlichen Situation zu entfliehen. Ich konnte meine Frage, weswegen ich eigentlich hier war, nicht stellen. Ich wusste nicht wie.
    Â»Wie geht es dir diese Tage?« Dr. Uschasniks Stimme war hoch und viel zu sanft für einen Mann. Ich war kein Kind mehr, wollte ich ihm sagen, er konnte normal mit mir reden. Vielleicht konnte er mir gar nicht helfen? Wenn ich ihm nun erzählte, dass ich mit einem anderen Menschen gemeinsam in einem Traum war, was dachte er dann von mir? Dass ich verrückt war? Würde er mich dann gleich ohne Umwege ins Irrenhaus einliefern lassen?
    Â»Gut«, sagte ich fast wahrheitsgemäß.
    Â»Hast du derzeit eine Beschäftigung, die dir Freude bereitet?«
    Mit Anne schlafen. Aber das würde ich ihm nicht auf die Nase binden, ganz sicher nicht.
    Â»Dies und das.«
    Uschasnik blickte mich eine Weile schweigend an, und ich hatte das Gefühl, seine Augen bohrten in meinen Kopf, auf der Suche nach irgendetwas in meinem Gehirn. Aber er würde nichts finden, ich hatte alles gut versteckt.
    Â»Weißt du noch«, fuhr er fort und startete damit einen neuen Versuch, mein Vertrauen zu gewinnen, oder wenigstens ein Gespräch in Gang zu bringen. »Weißt du noch, was dir, als du sechs Jahre alt warst, am allerwichtigsten war?«
    Â»Das ist schon über zehn Jahre her«, sagte ich. »Wie soll ich

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