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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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hierher?«, fragte ich.
    »Er ist Bergsteiger. Er ist beim Freeclimbing abgestürzt.«
    Ich betrachtete den Mann; er stand abseits und polierte seine improvisierte Waffe, die er wahrscheinlich irgendwelchen Plastikungeheuern aus der Geisterbahn gestohlen hatte.
    »Ihr erinnert euch aber nicht, wie ihr hierhergekommen seid?«, fragte Susan.
    Ich blickte Nate an, um zu sehen, ob er gehört hatte, was Susan gerade gesagt hatte. Hatte er, denn er antwortete: »Nein.«
    Susan war verdattert.
    »Bei mir ist es anderes«, sagte ich und zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich. »Ich kann in diese Welt kommen und gehen, wie ich will. Wir nennen sie Cinerarium.«
    Bei meinen Worten schien Clayton aufzuwachen. Ruckartig drehte er den Kopf.
    »Was? Du weißt, wie man hier wegkommt?« Er schrie so laut, dass das Kind erschrak. »Dann mach, dass wir hier rauskommen! Und zwar gleich, sonst bringe ich dich um, das schwöre ich dir!«
    Ich wusste, dass er es nicht ernst meinte und nur aus Angst so machohaft daherredete, aber Nate stellte sich zwischen uns. Ohne viel nachzudenken, stieß er Clayton weg.
    »Wenn ich nicht dich zuerst umbringe!«, sagte er mit zusammengekniffenen Augen. Für einen kurzen Moment sah er wieder so wild und gefährlich aus wie damals mit mir auf dem Schiff.
    »Beruhigt euch wieder!«, rief Susan. »Thara wird uns gleich alles erklären.«
    Das Vertrauen, das sie in mich gesetzt hatte, schwand nach und nach und, während ich erzählte.
    »Ich kann euch nicht mitnehmen«, sagte ich betrübt. »Ich komme nur dann hierher, wenn ich in der wirklichen Welt einschlafe. Siehst du meine violetten Augen?«
    Sie verengte ihren Blick, um mich genauer anzuschauen. In einer Welt mit so vielen Absurditäten, konnte man meine Augen schon mal übersehen.
    »Ich glaube, sie haben etwas mit dem Feuer zu tun, das hier auftaucht«, schloss ich.
    Nachdem ich geendet hatte, verlor Clayton das Interesse an mir, er drehte sich um und beachtete uns nicht weiter. Das war mir nur recht so.
    Selbst Nate hatte sich ein bisschen entspannt.
    »Tja, schön für dich!«, meinte Susan und schlang die Arme um ihre Schultern. »Dann möchte ich dich aber auch um einen Gefallen bitten, wenn du das nächste Mal zurückkommst.«
    Sie beschrieb mir, wie und wo der Unfall sich zugetragen hatte, und nannte mir ihren Nachnamen. Digger. Sie bat mich, ein paar Dinge in Erfahrung zu bringen, die irgendwie nützlich sein könnten, zum Beispiel, wie die Dinge in der realen Welt standen, ob es Überlebende gab, ob es ihren Eltern gut ging und so weiter.
    Ich versprach es ihr. Der Unfall hatte sich nicht sehr weit von meinem Wohnort entfernt ereignet.
    Ich wollte aufstehen, aber sie hielt mich fest.
    »Wenn dein Freund hierbleiben könnte … Wir würden uns freuen«, sagte sie mit Blick auf Clayton, als würde auch sie ihm nicht allzu sehr trauen.
    Clayton hatte es offenbar gehört und drehte sich um.
    »Wenn der Hitzkopf hierbleiben will, muss er sich nach meinen Anweisungen richten.«
    Allein bei dieser Äußerung war mir klar, dass Nate nicht einwilligen würde.
    Tatsächlich schickte er Clayton zum Teufel und ging zum Ausgang.
    Ich wollte ihm nachlaufen, aber Susan hielt mich zurück.
    »Sehen wir dich wieder?«
    »Ganz bestimmt«, versicherte ich ihr und gab Penny das Plüschtier.
    Als ich mich wieder umdrehte, war Nate verschwunden. Ich seufzte. Wie tief war der Bau des Weißen Kaninchens denn noch?

»Du kannst dich bei mir bedanken«, hörte ich jemanden beleidigt sagen.
    »Was?«, fragte ich gähnend und streckte meine eingeschlafenen Arme aus.
    »Du kannst dich bei mir bedanken«, wiederholte Christine und half mir hoch. Mit Mühe schlug ich die Augen auf, als wären meine Wimpern verklebt.
    Neben ihr stand Leonard und sah sich um wie ein Besessener. Dieser Ort war für ihn, einen Liebhaber von Trash-Filmen, das gelobte Land. Christine hingegen blickte mich sauer an, sie hatte die Arme verschränkt. Erst jetzt sah ich, dass sie Rucksäcke trugen und Licht durch die Tür hereindrang. Es konnte nicht mehr Abend sein.
    Mit einem Schlag war ich hellwach.
    »O mein Gott, Ogottogott«, sagte ich hektisch und blickte auf mein Handy. Es war halb eins, und auf meinem Display wurden mindestens zwanzig Anrufe in Abwesenheit angezeigt – alle von meiner Mutter. Gleich würde ich eine Panikattacke bekommen. Damit schienen Christines sadistische Neigungen befriedigt zu sein.
    »Du schuldest mir einen Gefallen«, sagte sie. »Ich habe deiner Mutter gesagt,

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