Ascheträume
und mich an eine unsichtbare Wand gedrückt hatte, fiel von mir ab. In einem kurzen Augenblick holte ich so tief Luft wie sonst nur in ein paar Minuten.
Auch der andere Clown zog die Maske herunter, und das vernarbte Gesicht eines Mannes um die vierzig kam zum Vorschein. Er fixierte uns mit erhobener Waffe, aber die junge Frau machte ihm ein Zeichen, sie zu senken.
Sie konnte nicht älter als zwanzig sein, ihre blonden Haare brachten einen Lichtschimmer an diesen dunklen Ort.
»Sie sehen nicht gefährlich aus, Clayton«, hörte ich sie sagen.
Der Mann senkte seinen Arm. Etwas zu schnell für meinen Geschmack. Nate musste zurückweichen, um nicht gestoßen zu werden.
»Wer seid ihr?«, fragte Nate, der reglos, fast gleichmütig dastand.
Das Mädchen seufzte und hob entschuldigend die Hand.
»Ich bin Susan, das ist Clayton. Tut mir wirklich leid, aber mit all diesen Kreaturen, die hier umherstreifen … Wir haben gedacht, hier gäbe es keine anderen Menschen.«
»Das haben wir auch gedacht«, erwiderte ich, wobei ich Clayton nicht aus den Augen ließ. »Im Wald war ein kleines Mädchen, wir sind ihm gefolgt, weil wir dachten, es sei vielleicht in Gefahr.«
»Meine Schwester«, sagte Susan und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht weglaufen darf. Aber sie war überzeugt, dass jemand ihren Plüschhasen gestohlen hat.«
Dann drehte sie sich um und rief: »Penny!«
Ich sah auf meine Hände. Ich hielt das Plüschtier noch in der Hand.
»Meinst du das?«, fragte ich und hob es hoch.
Susan riss die Augen auf.
»Wo hast du das gefunden?«
»Es lag auf dem Boden.«
Sie verlangte keine weiteren Erklärungen, auch weil in diesem Moment die Kleine auftauchte, der wir gefolgt waren. Mit schüchternen Schritten und gesenktem Kopf kam sie hinter einem Fass hervor, das die Form eines Harlekins hatte.
Susan bückte sich und gab ihr einen Kuss.
»Versprich mir, dass du das nie wieder tust«, sagte sie zärtlich.
Das kleine Mädchen packte Susans Bein und umklammerte es fest.
Clayton sagte in wenig nettem Ton: »Und wer seid ihr?«
»Ich bin Nate.«
»Ich bin Thara.«
Clayton gab eine Art Grunzen von sich. »Ich habe euch nicht nach euren Namen gefragt.«
Susan sah ihn böse an.
»Sei bitte ein bisschen höflicher, Clayton.«
Der Mann spuckte auf den Boden und drehte sich um.
Susan fühlte sich verpflichtet, sich für ihn zu entschuldigen.
»Er ist ein komischer Kerl«, sagte sie, als er weg war. »Wir haben uns hier kennengelernt. Er beschützt uns.«
Ich nickte, um ihr zu zeigen, dass ich sie verstand. Gleich darauf forderte sie uns auf, ihr zum Pferdekarussell zu folgen.
Dahinter stand Clayton etwas abseits, und ich sah, dass Nate ihn im Auge behielt. Er fühlte sich nicht recht wohl.
Susan und ich setzten uns an den Rand des Karussells, während die kleine Penny auf den Rücken eines Pferdes sprang. Nate kam zu uns und lehnte sich an einen Pfosten. Er war merkwürdig still und in düsterer Stimmung.
»Wie kommt es, dass ihr hier seid, ich meine, hier in diesem Luna Dark«, fragte ich sie, während sie mit ihrer Clownsmaske herumspielte.
»Wir haben ihn zwischen den Dünen entdeckt«, sagte sie und drehte die groteske Maske in den Händen. »Ich dachte, wenn wir hierbleiben, fühlt sich Penny besser … Sie scheint sich nicht daran zu stören, dass hier alles schwarz ist. Außerdem ist es ein sicherer Ort.«
»Sicher …«, wiederholte Nate bissig und zog die Stirn kraus.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Seine bunten Augen wichen meinen aus und wanderten zu Clayton. Die beiden schienen sich nicht ausstehen zu können.
»Das Einzige, das wir nach dem Unfall tun konnten«, fuhr Susan fort, »war, uns zu verbarrikadieren.«
»Unfall?«, fragte ich erstaunt. »Ihr erinnert euch, was passiert ist, bevor ihr hierhergekommen seid?«
Susan war mindestens genauso erstaunt wie ich.
»Ja. Penny und ich waren mit unseren Eltern im Auto, als ein Lastwagen in uns hineingefahren ist.«
Bei diesen Worten gefror mir das Blut in den Adern. Hieß das, dass sie tot waren? Dass das hier das Jenseits war? Das erschien mir unmöglich. Wenn es so wäre, müssten auch ihre Eltern und noch eine Menge anderer Leute hier sein.
Susan schien meine Gedanken zu lesen.
»Ich glaube nicht, dass wir tot sind …«, sagte sie leise, damit Penny sie nicht hörte. »Vielleicht sind wir in einer Art kollektivem Koma. Ich weiß auch nicht … Alles ist so absurd.«
»Und Clayton? Wie kommt er
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