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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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dass du bei mir geschlafen hast.«
    Ich umarmte sie und dachte an die schrecklichen Konsequenzen, die sie mir damit erspart hatte.
    »Danke!«, rief ich so laut, dass sie fast taub wurde.
    »Das hier ist bombenmäßig!«, rief Leo mindestens ebenso laut.
    Christine dämpfte unseren Enthusiasmus.
    »Nein. Scheinbar ist nur eine geplatzt!«
    Ich hatte noch nie zuvor so tief und lange geschlafen, vom Abend bis zum nächsten Mittag. Der Duft der Iris schien jedes Mal besser zu wirken.
    Zum Glück hatte ich Christine die Adresse des Kinos gegeben, damals, als wir geplant hatten, zusammen hierherzukommen.
    Ich nahm das Buch und die Blumen, die schon wieder verwelkt waren.
    »Hattest du ein Rendezvous?«, fragte Christine. »Sollten nicht die Jungs die Blumen mitbringen?«
    Ich lächelte lustlos und ging zur Tür. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Aussprache. Das würden wir später tun. Leonard erschrak.
    »Wie, wir gehen schon?«, fragte er.
    »Der Letzte löscht das Licht«, gab Christine zur Antwort.
    Nachdem wir das Kino verlassen hatten, machten wir uns auf den Heimweg. Meine Freunde unterhielten sich weiter, aber ich hörte nicht zu. Ich war in Gedanken und hatte keinerlei Interesse am Schulleben. Also folgte ich ihnen schweigend, während ich das Buch an meine Brust drückte.
    Christine merkte, dass ich sehr nachdenklich war. Aber da sie wusste, dass alles, was sie gesagt hätte, in meinen Ohren wie eine blöde Bemerkung geklungen hätte, ließ sie mich lieber in Ruhe.
    Leo merkte wie üblich gar nichts und informierte mich, ohne dass ich ihn danach gefragt hätte, über die heutigen Ereignisse in der Schule. Er sagte, ich hätte nichts verpasst und sei durch mein Schwänzen auch kein schlimmerer Mensch geworden. Ich lächelte ihm zu und hoffte, er würde es dabei bewenden lassen. Ich hatte keine Lust auf sein wirres Geschwätz, nicht heute, und wünschte, er würde baldmöglichst Leine ziehen.
    Ich wollte allein mit Christine reden, und zwar ernsthaft. Vielleicht hatte ich eine Möglichkeit gefunden, die Existenz des Cinerariums zu beweisen. Sie musste mir nur die Möglichkeit geben, ihr zu erklären, was ich über Nate herausgefunden hatte.
    Ich überlegte, ob ich bei dem Buch meines Vaters beginnen und das Gespräch dann in eine andere Richtung lenken sollte.
    Es war wirklich merkwürdig, dass ich zeitgleich mit zwei so großen Rätseln konfrontiert war. Wäre ich ein wenig aufmerksamer gewesen, hätte ich gleich gemerkt, dass sie zusammenhingen. Aber damals war ich zu dumm gewesen, und es hatte noch ein wenig gebraucht, um meine Gedanken zu ordnen.
    Wir wollten den Park gerade verlassen, da merkte Leo, dass es brenzlig roch.
    Hinter den Baumwipfeln stieg dichter, schwarzer Rauch auf, der am Himmel eine Wolke bildete, die dort nicht hingehörte.
    Uns war sofort klar, dass es irgendwo brannte.
    Wir liefen schneller und sahen, dass der Rauch von den Häuserblöcken kam. Hinter dem Park folgten wir auf dem Gehsteig unserem finsteren Leitstern, bis Polizeiautos, eine Menschenmenge und das Feuer in unser Blickfeld rückten.
    Eine weitere Schule war in Flammen aufgegangen.
    Es war nicht unser Gymnasium, hätte es aber sein können.
    Vor unseren Augen barsten die Fenster des zweiten Stockwerks. Wir hörten einen ohrenbetäubenden Knall, Scherben blitzten im Licht auf und flogen in alle Richtungen.
    Leonard und Christine wichen vor Schreck zurück. Ich zeigte keinerlei Reaktion. Ich starrte einfach nur auf das fürchterliche Spektakel, während die Feuerwehrleute Menschen aus dem Haupteingang evakuierten.
    Die Menge schrie, starke Wasserstrahle wurden auf das brennende Gebäude gerichtet.
    Ich weiß nicht, was mir durch den Kopf ging, doch ich machte ein paar Schritte auf die Schule zu.
    »Bleib stehen!«, rief Christine, aber ich ging über ihre Sorge hinweg, wie auch meine Füße über die zerstreuten Glassplitter auf dem Asphalt hinwegliefen.
    Irgendwann stoppte mich ein Polizist. Wäre er nicht gewesen – wer weiß, bis wohin es mich getrieben hätte.
    Er sagte etwas zu mir und schüttelte mich, während sich mein Blick suchend in den Flammen und dem Rauch verlor.
    Ich stellte mir vor, dass Nate in diesem Moment eine ähnliche Szene sah. Dass das Gebäude, umgeben von violetten Flammen, nun im Cinerarium wieder auferstand.
    Zwischen den Flammen auf dem Dach zeichnete sich eine Person ab. Ich konnte sie nicht gut sehen, da war zu viel Feuer, zu viel Ruß, aber ich wusste genau: Ich bildete mir das

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