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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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hinunter und gingen zu dem rätselhaften Ding. Nate hob es auf und zeigte es mir. Es war ein Plüschhase.
    Wieder bewegte sich etwas hinter den Bäumen. Ich sah gerade noch blondes Haar flattern und verschwinden.
    »Hier gerät man von einem Märchen ins andere …«, sagte ich zu mir selbst.
    Nate sprang auf.
    »Nicht! So erschreckst du das Kind«, rief ich, aber er war schon losgelaufen.
    Ich folgte ihm und versuchte, hinter ihm zu bleiben. Ich war nicht so geübt darin, über Wurzeln zu springen und Zweigen auszuweichen, wie er, dennoch gelang es mir, mit ihm Schritt zu halten, und das Kind im Blick zu behalten.
    »Bleib stehen«, rief ich in einem möglichst liebenswürdigen Tonfall, aber das Mädchen drehte sich nicht einmal um.
    Ich sah, wie es aus dem Wald und zu einer Düne rannte. Nate blieb kurz stehen, um auf mich zu warten, dann nahmen wir die Verfolgung gemeinsam wieder auf.
    Die Asche spritzte an unseren Beinen hinauf, und Nates flatterndes Hemd verlor kleine schwarze Fetzen. Das Kind verschwand hinter der Düne, aber wir hatten seine Spur nicht verloren, wir mussten nur den Abdrücken der kleinen Füße in der Asche folgen, um sie wiederzufinden.
    Sie war uns gegenüber im Vorteil. Wir hatten zwar mehr Kraft, aber durch ihr geringes Gewicht konnte sie über den grauen Sand flitzen, ohne einzusinken.
    Auf der Dünenkuppe angelangt, lag plötzlich eine ganz neue Landschaft vor uns.
    Das Kind war schon weit entfernt und lief auf einen Rummelplatz zu. Ich sah Nate an. Seine Muskeln waren vom Laufen gespannt.
    »Wusstest du, dass es hier einen Rummel gibt?«, fragte ich ihn.
    »Nein«, sagte er kurz angebunden, wie um mir zu bedeuten, ihn nicht unnötig aus der Puste zu bringen.
    Am Fuß der Düne folgten wir der kleinen Ausreißerin, die gerade durch das Portal lief. Sie war schon zu weit weg, als dass wir hätten sehen können, wohin sie sich danach wandte. Sie konnte überall hingerannt sein.
    »Wir müssen sie finden!«, sagte ich zu Nate. »Wenn die Grauen sie vor uns entdecken … Ich will mir gar nicht vorstellen, was sie mit ihr machen.«
    Er sagte nichts, aber er lief schneller.
    Kurz darauf hatten wir den Eingang des Rummelplatzes erreicht.
    Nate blieb abrupt stehen und streckte den Arm aus, um mich zu stoppen.
    »Was ist?«, fragte ich und sah ihm in die Augen.
    Er blickte argwöhnisch drein.
    »Hier stimmt etwas nicht«, sagte er leise.
    Ich hob langsam den Blick auf das Schild über dem Tor. Dort musste einmal LUNA PARK gestanden haben, aber nun las es sich wie ein unheimliches Pendant. Das Feuer hatte den Lack beschädigt und den Abschwung des P vernichtet, sodass nun LUNA DARK dort stand.
    Ich senkte den Kopf. Hinter dem Tor waren alte Karusselle und Stände, wo man früher einmal etwas hatte gewinnen können. Die grellen Farben waren erloschen, als hätte jemand den Ort schwarz übermalt. Es war gespenstisch. In der Mitte ragte ein Riesenrad empor, das in der Hitze des Feuers in sich zusammengefallen war, und eine Achterbahn, die aussah wie eine Ansammlung riesiger, schlampig gezimmerter Kreuze.
    »Wir müssen sie finden«, sagte ich noch einmal.
    Er nickte zustimmend und machte die ersten Schritte durchs Tor. Drinnen schlug uns die düstere Stimmung schwer entgegen. Nate war mutig genug, sie zu ignorieren, und auch ich versuchte, mich nur auf unsere Mission zu konzentrieren.
    »Mädchen!«, rief ich laut, aber ohne zu schreien. »Wir sind Freunde, komm raus!«
    Die Karussellpferde sahen uns aus verkohlten Augen an, erstarrt in einem Ausdruck tiefen Schmerzes.
    Ich hörte jeden Schritt auf dem Boden und hatte den Eindruck, dass uns jemand folgte, jemand, der ganz besonders darauf achtete, sich synchron mit uns zu bewegen.
    Die Tore der Geisterbahn öffneten sich mit einem Knall, als hätte man sie aufgetreten, und zwei Clowns kamen heraus. Beide hatten primitive Waffen in der Hand, ähnlich wie Macheten. Ich schrie auf und versteckte mich hinter Nate, während die beiden Gestalten von dem Fahrgeschäft heruntergerannt kamen. Sie sprangen über das Geländer und landeten vor unseren Füßen.
    Ihre bunten Gesichter, eines lächelnd und locker, das andere traurig und aufgelöst, starrten uns bedrohlich an. Ich wusste nicht, ob Nate vorhatte, auf sie loszugehen, aber er war angespannt und er keuchte.
    Ich rechnete mit dem Schlimmsten und wollte schon die Augen schließen, da nahm einer der beiden Clowns die Maske ab.
    Es war eine junge Frau.
    Alle Anspannung, die sich in meinem Körper gesammelt

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