Ash Grey
was dir passiert ist, ist erbärmlich! Du kannst dich anstrengen wie du willst, das Leben kann dich trotzdem komplett ausknocken! Da kannst du noch so ein guter, anständiger Mensch sein! Wenn dich das Leben fertig machen will, dann tut es das! <<
Ich denke Chris hat Recht. Das sind genau die Sätze für die ich ihn früher angefaucht hätte, jetzt nicke ich nur. Es hört nicht auf zu vibrieren.
>> Felix. Wer ist das? << , will er wissen.
>> Jemand der mir sagen will, dass ich eine Schlampe bin und dass ich es verdient habe, dass es mir dreckig geht. <<
>> Arsch << , murmelt Chris und macht mein Handy aus.
>> Du bist keine Schlampe! Ich kenne Schlampen, aber du bist keine! <<
>> Es gibt einen ganzen Haufen Menschen die das anders sehen. << >> Dann sind das eben alles Arschlöcher! Mir doch egal! <<
Chris legt sich neben mich und raucht seinen Joint fertig. Ich mag den Geruch. Ich verstehe warum es Räucherstäbchen gibt die nach Hanf riechen. Wir liegen eine Weile einfach nur da und dösen vor uns hin. Mein Arm pulsiert. Ich bin ganz schläfrig vom Alkohol. Mein Verstand ist benebelt, vielleicht weil die ganze Wohnung voller Rauch ist und ich passiv mitqualme. Ich denke darüber nach warum Felix angerufen hat. Wahrscheinlich wollte er mir sagen, dass ich ihm noch Geld von den vielen Klamotten schulde. Ich weiß nicht wo ich welches herbekommen soll. Mir fällt kein Job ein den ich jetzt noch machen könnte. Einer schon, aber dazu müsste ich mich wirklich betäuben.
Alles ist so kompliziert. Ich schaffe das nicht. Die Zeit mit Felix war wie ein Traum aus dem ich gerissen worden bin. Als wäre ich damals an der Bushaltestelle eingeschlafen und erst gestern wieder aufgewacht. Ich habe mir irgendwann mal eingebildet, dass ich es auch alleine schaffen kann, aber ich habe vergessen wie. Egal wie viel Mühe ich mir gebe, ich glaube ich stecke so tief im Schlamm, dass ich aus eigener Kraft nicht mehr rauskomme.
Chris sagt er muss kurz weg, weil er mit Freunden verabredet ist. Er wirkt sehr niedergeschlagen auf mich, aber er sagt es ist alles wie immer. Es geht ihm schlechter als ich vermutet habe, aber vielleicht hat er nur ein paar anstrengende Tage hinter sich.
Ich schalte die Stereoanlage ein und gehe Duschen. Billy Talent singt Surrender , während ich meinen nackten Körper im Spiegel mustere. Ich weiß nicht mehr wo ich mir die Knie aufgeschlagen habe, aber die Wunden brennen. Mein ganzer Körper tut weh, als das heiße Wasser darüber läuft. Es spült den Schmerz nicht weg. Meine Hand ist irgendwie steif.
„Every word, every thought, every sound – surrender“
Als ich im Badezimmerschrank nach einem Desinfektionsmittel suche, finde ich lauter Spritzen. Im Mülleimer liegen ein paar gebrauchte. Mir wird richtig übel. Ich bekomme Angst um Chris, Angst um mich.
„Every touch, every smile, every frown – surrender“
Als er zurückkommt ist er vollkommen zugedröhnt. Mir ist vorhin nicht bewusst gewesen wie schlimm es um ihn steht, ich war zu beschäftigt mit mir selbst, mit meinen Problemen.
>> Was spritzt du dir, Chris? <<
Sein Blick ist ganz starr. Ich halte das kaum aus. Er sieht aus, als hätte er längst aufgegeben, als wäre er dabei zu sterben. Ich fange an ihn anzuschreien, aber er antwortet nur manchmal. Er will nichts an seiner Situation ändern. Ich flehe ihn an mit mir zur Drogenberatung zu gehen, aber er blockt komplett ab. Ich habe so schreckliche Angst, dass er stirbt, dass er morgen tot ist, oder übermorgen. Als mir bewusst wird, dass ich hier auch sterben würde, werde ich panisch. Chris will mich nicht mehr hier haben. Vielleicht rettet er mir damit das Leben.
„All the pain we’ve endured until now – surrender“
Es ist, als ob es überhaupt keinen Platz auf dieser Welt mehr für mich geben würde. Egal wo ich hingehe, alles um mich herum zerbricht in tausend scharfkantige Scherben.
„All the hope that I lost you have found“
Ich frage mich ob es absolut niemanden auf der Welt gibt der mich ertragen kann. Der einzige der mich nie davongejagt hat, war Jens. Er behandelt mich schlecht, er lügt, aber ihn habe ich verdient. Ohne ihn gehe ich zu Grunde. Ohne Hilfe bin ich am Ende. Er hat gewonnen, es war meine Schuld. Verzeih mir.
„Surrender yourself to me…“
BLINDE VERZWEIFLUNG
Es hagelt draußen. Die Eiskörner fallen auf die Betonplatten vor dem Haus. Es klackert und donnert. Ich hasse Gewitter. Mein Handy braucht eine Weile
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