Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
unten bist.«
»Wenn Sie nicht hergekommen sind, um mich freizulassen, was wollen Sie dann?« Ashs Stimme hatte einen eisigen Ton angenommen, der ihn selbst überraschte. Vielleicht war sein schlummernder Zorn endlich erwacht, da er nun nichts mehr zu verlieren hatte. »Sie haben doch bestimmt keine Angst vor mir, oder?«
»Angst? Warum sollte ich Angst vor dir haben?«
»Sagen Sie’s mir!«
Ash hatte den Aastra gestohlen und sich wochenlang vor Savage versteckt. Er hatte Jat getötet und nun musste Savage sogar schon darauf zurückgreifen, ein zehnjähriges Mädchen zu bedrohen, um zu bekommen, was er wollte, und Ash zu bezwingen. Ash begegnete dem Blick des Mannes und – warum, wusste er selbst nicht – lächelte.
»Du bist nur ein dummer Junge«, giftete Savage ihn an. »Und das hier ist die echte Welt, in der Kinder die Verlierer sind. Immer.«
Die Lampe fiel scheppernd zu Boden und Savages Schritte entfernten sich in Richtung Treppe, bis sie schließlich verklangen. Verdattert stand Ash da und blickte in das schummrige Licht, das sein Verlies schwach erleuchtete.
»Aufgeblasener Sack.«
Ash fuhr herum. Jemand hatte gesprochen. Jemand, der mit ihm in der Zelle war.
»Hallo?«, fragte er.
»Savage hat sich schon immer gern selbst reden gehört.«
»Wer ist da?« Mit gerunzelter Stirn spähte er angestrengt in das Zwielicht. Er war sicher, dass die Stimme von links gekommen war. Und sie klang vertraut.
Unmöglich. Jetzt dreh ich komplett durch.
Ash stieß ein heiseres Gelächter aus. Verrückt! Er war verrückt. Lange hatte das ja nicht gedauert.
»Wie schön, dass du über all das noch lachen kannst«, meinte Parvati sarkastisch, als sie aus der Finsternis trat und zum Gitter hinaufblickte.
»Parvati?« Ash flüsterte und starrte sie unverwandt an. Er wagte es nicht, auch nur kurz zu blinzeln, weil er fürchtete, sie könnte sonst verschwinden. Sie sah aus, als hätte sie einen hautengen Anzug aus schimmernden grün-schwarzen Schuppen an, doch dann begriff er, dass das ihre Haut war – sie war halb verwandelt. Halb Schlange, halb Mensch. »Was machst du hier?«
Parvati spreizte die langen, grazilen Finger und ließ einen nach dem anderen fachmännisch knacken.
»Das Übliche«, sagte sie. »Dir die Haut retten.«
Kapitel 25
Im Halbdunkel wirkte Parvati gefährlich dämonisch, genau wie in seinem Traum: ganz die Tochter Ravanas, bereit, in den Kampf zu ziehen. An ihrem Hals formten die Schuppen einen hohen Kragen, einige verliefen sogar bis in ihr Gesicht und sprenkelten ihre Wangen mit silbrigem Grün. Ihre Augen waren lange schräge Schlitze, viel größer als die eines Menschen und jeweils halbiert von der Iris. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und schüttelte es auf. Dabei veränderte sich fast unmerklich ihr Gesicht und wurde runder, menschlicher.
»Freut mich auch, dich zu sehen«, sagte sie.
Ash blinzelte und zwang sich zu einem Lächeln. »Tut mir leid. Ich steh ein bisschen unter Schock.«
»Reiß dich zusammen.«
Er packte sie am Arm. »Wo ist Lucky?«
Parvati zog die Stirn kraus. »Ich hab die halbe Nacht damit zugebracht, mich zwischen den Steinen unter der Festung durchzuquetschen, nur um dich zu finden. In den Kerkern hier ist sie jedenfalls nicht.«
»Aber wo steckt sie dann?« Ash schaute nach oben.
»Eins nach dem anderen. Lass uns hier ausrücken und uns den Aastra holen, bevor Savage damit noch eine Dummheit begeht.«
»Wie zum Beispiel Ravana befreien.«
Abrupt wirbelte Parvati herum. »Was?« Sie hielt inne und versuchte, seinen Worten einen Sinn abzugewinnen, dann schüttelte sie den Kopf. »Ravana ist tot. Ich hab ihn sterben sehen.«
»Und er kommt wieder. Savage will ihn erwecken und dazu braucht er den Aastra. Er ist der Schlüssel zum Grab deines Vaters.«
»Das … das glaube ich nicht«, stammelte Parvati, hörte sich allerdings alles andere als sicher an.
»Lass uns hier abhauen, dann erzähle ich dir alles.« Ash zeigte auf das Eisengitter. »Außerdem hat er ihn noch gar nicht, aber er weiß, wo er ist.«
»Woher das denn?«, blaffte Parvati. »Du hattest eine einzige Aufgabe und die war, den Aastra zu bewachen! Hast du eine Ahnung, was passiert, wenn Savage ihn bekommt?« Sie klatschte sich gegen die Stirn. »Was stimmt mit euch Sterblichen eigentlich nicht? Ist euer Leben so kurz, dass es euch egal ist, was eure Taten für langfristige Folgen haben?«
»Ich bin dreizehn. Ich sollte über gar nichts Langfristiges nachdenken müssen!«
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