Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
Gewicht gleichmäßig auf beide Fußballen und lockerte die Arme.
Plötzlich knackte der Ast über ihm und acht rote Augen starrten auf ihn herab. Eine große Frau mit acht Gliedmaßen ließ sich von einem silbernen Seil aus Spinnenseide gleiten.
Vor ihnen blieb Parvati stehen.
»Parvati …«, setzte Ash an.
Doch sie rührte sich nicht.
Dann traten die Dämonen einer nach dem anderen vor. Sie verneigten sich und berührten Parvatis Füße, ein Zeichen von großem Respekt. Selbst die Spinnenfrau huschte vor und kauerte mit klackenden Kauwerkzeugen vor der Dämonenprinzessin. Sie sah aus wie Makdi, die Spinnenfrau, die Savage in dessen Palast gedient hatte. Doch während Makdi arrogant und grausam schön war, war diese hier dürr und elend.
Rakshasas waren dazu ausersehen, schrecklich und mächtig zu sein, nicht mitleiderregend. Doch dieser zusammengewürfelte Haufen war von Missbildungen gezeichnet, ganz anders als die geschmeidigen Tier-Mensch-Hybriden in Savages Team.
»Wer sind sie?«, wisperte Ash Khan zu.
»Die Verlorenen und Verdammten«, knurrte er.
Ein großer Mann mit grauer Haut schritt durch die Menge. Jeder seiner Schritte ließ den Boden erzittern und das Gras schlottern. Er war mit Abstand die größte Gestalt, die Ash je gesehen hatte. Gigantische Ohren flatterten links und rechts von seinem Kopf und aus seinem Oberkiefer ragte ein Paar dicker Stoßzähne. Ächzend beugte er sich zum Boden und legte seinen Kopf vor Parvatis Füße, als Zeichen der größtmöglichen Unterordnung.
»Eure Königliche Hoheit«, sagte er. »Wir heißen Euch willkommen.«
Kapitel 16
»Die sehen aus, als ob sie uns gleich fressen wollen«, flüsterte John.
»Dich?«, spottete Khan. »Du lohnst dich noch nicht mal als Vorspeise.«
Ash saß gemeinsam mit den beiden auf einem umgestürzten Grabstein, während Parvati sich mit dem großen Elefanten-Rakshasa, Mahout, besprach. Ein anderer Dämon reichte ihnen eine Schale mit Reis und scharfem Gemüsecurry, ansonsten hielten die Friedhofsbewohner Abstand. Nur Khan schien wie immer völlig entspannt zu sein. Neugierig schnupperte er an dem Curry.
»Könnte ein bisschen Fleisch vertragen«, meinte er. »Ziege wäre gut. Ist schon eine Weile her, dass ich meine letzte hatte. Oder Mensch. Nichts geht über einen saftigen Happen Mensch.«
John schluckte und rückte ein Stück von ihm ab.
»Hör auf, ihn zu ärgern«, schimpfte Ash und blickte dann zu Parvati. In einem großen Mausoleum hatte man einige Lampen entzündet. Ash entdeckte die Initialen der Ostindien-Kompanie und eine eingemeißelte Schriftrolle mit dem Namen »Lord Cornwall« über dem Eingang, fast verdeckt von den herabhängenden Schlingpflanzen, die auf dem Dach wucherten. »Der Typ muss ja ziemlich wichtig gewesen sein. Sein Grab ist doppelt so groß wie alle anderen.«
»Alter Präsident«, erklärte Khan. »Früher hat ihm die ganze Provinz Bengalen gehört.«
Parvati war ins Gespräch mit Mahout und zwei anderen Rakshasas vertieft und gemeinsam beugten sie sich über einige Karten. Zwischen ihnen lag ein kleiner Seidenbeutel mit dem Koh-i-Noor.
»Woher kommen die alle?«, fragte Ash. »Die Rakshasas, meine ich.«
Khan zuckte mit den Schultern. »Nicht alle Dämonen waren Anhänger von Ravana.«
»Einschließlich dir?«
»Tiger-Rakshasas folgen niemandem. Wir tun, was uns gefällt.« Khan richtete einen langen Fingernagel auf eine Gruppe kleinerer Dämonen, die sich um einen Topf scharten. »Kakerlaken. Skorpione. Und das da«, er zeigte auf zwei Wesen, die auf dem Dach kauerten, »sind Krähen. Sie sind Unberührbare, Dämonen unterer Kaste. Ravana und die anderen Adeligen wollten nichts mit ihnen zu tun haben, also haben sie sich Parvati angeschlossen.«
Ash begriff. Parvatis Mutter war ein Mensch gewesen, deswegen galt auch Parvati nicht als Rakshasa »von reinem Blut«. Scheinbar hatten all diejenigen, die keinen anderen Anführer gefunden hatten, beschlossen, ihr zu folgen. Indien war ein Land, das auf dem Kastensystem beruhte und gleichzeitig davon gespalten wurde – ähnlich dem alten europäischen Klassensystem, nur tausendmal komplizierter und tausendmal älter. An der Spitze standen die Brahmanen, die Priester. Nach ihnen folgte die Kaste der Krieger, die sogenannten Kshatriyas. Dann kamen die Kaufleute und Bauern und danach die unteren Kasten. Ganz am Ende standen die Unberührbaren. Ash hätte nie gedacht, dass Rakshasas ähnlich unterteilt waren.
»Und was bist du?«, wollte
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