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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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Hier, halten Sie die Lampe.«
    Das Metall ächzte bedrohlich, als Laura sich langsam nach oben bewegte, achtsam einen Fuß vor den anderen setzend.
    »Seien Sie vorsichtig!«, rief Steerpike ihr zu, und seine Stimme hallte durch den leeren Raum.
    »Ich habe nicht vor, mir hier das Genick zu brechen. Halten Sie das Licht etwas höher. Danke.«
    Von unten kaum erkennbar, spannte sich eine schmale Galerie um die Kuppel.
    »Ich glaube, ich habe hier etwas gefunden.«
    Der kräftige Lichtstrahl der Taschenlampe verlor sich in der Höhe des Raumes. Doch plötzlich veränderten sich die Lichtverhältnisse, und eine Wolke von Staub segelte auf Steerpike herab. Laura hatte eine der Kurbeln für die Vorrichtung entdeckt, die die Vorhänge zurückzog. Langsam, aber in seiner vollen Pracht erhob sich über Ashby House das gleißende Firmament.
    In Lauras Gesicht stand eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Bewunderung und Ekel geschrieben. »Das müssen Sie sehen.«
    Vorsichtig erklomm Steerpike die wacklige Wendeltreppe. Laura starrte noch immer fasziniert auf den Boden des Ballsaals, und Steerpike folgte ihrem Blick. Vor ihnen breitete sich ein gigantisches Mosaik aus.
    Abertausende von Glasscherben und Lackpartikeln, Keramik-und Emaillebruchstücken fügten sich zu einem Bild zusammen, das Deborah und Sebastian Branwell Ashby zeigte. Laura fühlte sich an die Gemälde John Singer Sargents erinnert, aber auch an die mythischen Szenerien der Präraphaeliten. Gleichzeitg strahlte das Kunstwerk etwas Naives aus, das unmöglich einer bestimmten Kunstrichtung zugeordnet werden konnte, die ihr bekannt war. Die Ashbys standen in Abendgarderobe vor einer tropisch anmutenden Szenerie, doch die Darstellung der beiden erinnerte stark an Adam und Eva. Dieser Eindruck wurde durch die Schlange, die sich gefährlich nahe Deborah Ashbys Schulter einen Ast herabräkelte, bekräftigt.
    »Ziemlich merkwürdig, nicht wahr?«
    Steerpike nickte sichtlich beeindruckt.
    »Und könnte mir endlich mal jemand verraten, was es mit diesen Kindern auf sich hat?« Unter den elegant abgewinkelten, zarten Händen Deborahs und Sebastians saßen, standen und tummelten sich ein Dutzend Kinder, der Größe nach zu urteilen gleichen Alters. In goldenen Streifen war auf einer geschwungenen Banderole am Fuße der Darstellung ein Schriftzug eingelassen:
     
    Du Pensée Sauvage
     
    »Steerpike, was heißt das?«
    »Vom wilden Gedanken.«
    Durch den Sucher der Kamera betrachtete er den spektakulären Bodenfries, zoomte heran und folgte der exquisiten Linienführung mehrere Minuten. Auch Laura fiel es schwer, den Blick von dem Kunstwerk abzuwenden. Die wandernde Sonne über der Glaskuppel akzentuierte bald dieses, bald jenes Detail: Sebastians Blick schien feucht zu schimmern,der Halsschmuck seiner Stiefschwester zu funkeln und aufzuglimmen.
    »Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen«, murmelte Steerpike. »Schon die Mischung der Werkstoffe ist unvergleichlich. Cornwall Stone neben Bambus und Quartz! Und die Textur. Sie erinnert mich an Reptilienhaut. Unglaublich!«
    Laura ließ den Blick noch einmal über den Boden schweifen. Der Vergleich mit Reptilienhaut war nicht schlecht, aber bei genauerem Betrachten fühlte sie sich eher an die Schuppen eines Fisches erinnert. Sie konnte Fische nicht ausstehen.
    »Wollen wir weiter? Dort sind noch ein paar Türen.«
    Steerpike ließ Laura den Vortritt.
    Neben dem Anrichtezimmer öffnete sich eine weitere Tür in die Dunkelheit. Steerpike leuchtete hinein, aber der Strahl der Taschenlampe verlor sich im Schwarz. Er knipste das Kameralicht an.
    »Ich gehe und öffne die Vorhänge.«
    Laura nickte und blieb im Türrahmen stehen, als Steerpike das Zimmer betrat. Schon nach wenigen Schritten hatte sie ihn aus den Augen verloren. Nachdem eine halbe Minute verstrichen war und sich weder die Vorhänge geöffnet hatten noch etwas zu hören gewesen war, meldete sich Laura: »Steerpike, ist alles in Ordnung?«
    »Ja, ich bin noch nicht am Fenster. Der Raum ist unglaublich tief.«
    Laura stutzte. Das angrenzende Zimmer hatte nicht mehr als zehn Meter Länge gemessen. Wie konnte dieser Raum nun plötzlich ungleich größer sein? Der Hall auf Steerpikes Stimme ließ sie frösteln. Sie wartete eine sehr lange Minute, bevor sie erneut die Stimme erhob: »Steerpike?«
    Keine Antwort, kein Geräusch.
    »Steerpike?!«
    Sie tat einen Schritt in das dunkle Zimmer, hielt inne. Mit der rechten Hand tastete sie nach der Wand. Kalt. Glatt. In der

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