Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
Vom Netzwerk:
hatten ihre Skepsis und ihre gesunden Zweifel unterhöhlt. Sie schmiegte sich in seinen Mantel und klappte das Silberfuchsrevers hoch. »Ich danke dir, Hector. Du bist der erste Mensch   –«
    Er legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihr, zu gehen.
    »Steerpike soll um zwei Uhr das Tor öffnen und mich hereinlassen. Ich sorge dafür, dass außer mir niemand das Grundstück betritt. Und jetzt geh!«
    Sie gab ihm einen hastigen und zugleich sehnsuchtsvollen Kuss, drehte sich zögerlich um, seufzte und machte sich auf den Heimweg. In ihrer verliebten Verblendung wunderte sie sich weder darüber, dass Slasher kaum Fragen über die Vorkommnisse in Ashby House gestellt hatte, noch, dass er alles, was sie ihm erzählt hatte, gleichmütig hinnahm, als sei es für ihn die natürlichste Sache der Welt, dass ein Haus seine Bewohner verspeist und dabei eine besondere Vorliebe für Prominente an den Tag legt.
     
    Kathy Claighbourne, deren Bürowand neuerdings ein silbergerahmtes, leider gefälschtes Lucille-Shalott-Autogramm schräg rechts unter dem Bild der Königin zierte, hatte auf der Suche nach Stauraum für die ausufernden Aktenberge, die sie von Schreibtisch zu Schreibtisch schob, einen Fund gemacht. Im Keller des Rathauses, in einem Lagerraum, der das letzte Mal zum Silberjubiläum der Königin betreten worden war (so schloss sie aus den Zeitungsseiten, mit denen die Regale ausgelegt waren), war sie auf ein Bündel mit Unterlagen gestoßen, die einen besonderen Aspekt der regionalen Geschichte thematisierten. Neben den verschollen geglaubten Papieren über das Grundstück der Ashbys und die alte Mine hatte ein längst verstorbener Vorgänger Kathys einen umfangreichen Briefwechsel zwischen Deborah Ashby und dem Gemeinderat abgelegt. Beim ersten Überfliegen der Seiten war sie über seltsame Wörter und Begriffe gestolpert. Welches Interesse sollte der Bürgermeister an der javanischen Expedition der Ashbys im Jahre 1849 gehabt haben? Was waren »Ebu Gogo«   – die aufgeführte Erklärung »die Großmutter, die alles frisst« war keine Definition, die ihr die Augen öffnete   –, und was meinten die Ashbys, wenn sie immer wieder den »Homo Ashbyensis« erwähnten?
    Die Kirchturmuhr schlug zwölf, und so nahm Kathy die Unterlagen, packte sie in ihre Handtasche und machte sich auf den Weg in die Mittagspause. Und weil durch das plötzliche Tauwetter ein Hauch von Frühling in der Luft lag, fühlte sich Kathy frivol und beschloss, ihre Mittagspausenroutine (Tee aus der Thermoskanne und ein belegtes Brot) zu durchbrechen und wie eine amerikanische Geschäftsfrau einen Lunch einzunehmen. Welcher Ort war dieser Tage besser dafür geeignet als das »Star Inn«?
     
    »Wo in Gottes Namen sind Sie gewesen?«
    »Beruhigen Sie sich, Steerpike, lassen Sie Gott aus dem Spiel, und packen Sie Ihre Sachen. Wir verschwinden.«
    »Wir können nicht einfach verschwinden. Was denken Sie sich dabei?«
    »Was ich mir dabei denke? Nun, zunächst einmal, dass dieses Haus genug Menschen auf dem Gewissen hat. Finden Sie nicht auch, dass es reicht? Oder möchten Sie der Nächste sein, der durch die Luft segelt und in diesem Zimmer verschwindet?«
    »Und Sie wollen Ihre Schwester einfach zurücklassen?«
    »Nachdem wir alles versucht haben, sie zurückzuholen, bleibt uns kaum etwas anderes übrig.«
    Steerpike schüttelte verbittert den Kopf. »Ohne mich. Ich bleibe.« Während er sich von ihr abwandte, kam ihm ein Satz über die Lippen, über den er selbst erschrak. »Langsam werden Sie Ihrem Ruf gerecht.«
    Laura fühlte sich, als habe er sie geschlagen. Sie atmete kurz und heftig aus, dann ergriff sie Steerpikes Arm und zwang ihn dazu, sie anzuschauen. »Ach? Kommt jetzt der wahre Steerpike zum Vorschein, ja? Sie glauben, Sie können mich beleidigen? Dann stellen Sie sich besser hinten an. Undbringen Sie Geduld mit, denn die Schlange ist lang. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man die ganze Welt gegen sich hat? Wenn man schuld ist an Lucille Shalotts Behinderung? Und glauben Sie, es schert mich, wenn sich ein verdammter Dienstbote in die Schlange einreiht? Nicht sooo viel, Steerpike, nicht so viel.« Sie stürmte aus der Küche und knallte die Tür hinter sich zu.
    Doch das ließ Steerpike sich nicht bieten, er folgte ihr. »Warten Sie!«
    Schockiert darüber, dass sie nicht das letzte Wort in dieser Auseinandersetzung hatte, blieb Laura stehen.
    »Sie glauben, Sie haben das Leid der Welt gepachtet, nicht

Weitere Kostenlose Bücher