Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
blutverschmiert, Blut tropfte ihnen übers Kinn wie verlaufende Theaterschminke. Grunzend griff der Junge der Frau in den Bauch und wühlte darin herum, dann zog er eine glitschige Handvoll von etwas Leberartigem heraus, so saftig, dass Alex es glucksen hörte, als er das fleischige Ding zwischen den Fingern quetschte.
Oh mein Gott. Alex hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Vor ihren Augen blühte Schwärze auf, und ihr wurde ein bisschen schummerig.
Kreischend versuchte die Pferdeschwanzblondine ihrem Gefährten den leckeren Happen zu entreißen, aber Basketballboy grunzte warnend und schlug ihr die Hand weg. Schmollend – ja, dachte Alex, wie verrückt, sie ist tatsächlich sauer – warf die Pferdeschwanzblondine den Kopf so schwungvoll zurück, dass ihr verklebtes Haar hochwirbelte, wandte sich dann von dem Jungen ab und stach der Frau mit zwei gestreckten Fingern das linke Auge aus. Als wollte sie ihren Freund ärgern, wedelte sie triumphierend mit der glitschig-blutigen Kugel, doch der beachtete sie nicht weiter, sondern futterte, was er herausgezogen hatte. Wieder warf die Pferdeschwanzblondine den Kopf in den Nacken und steckte sich dann das Auge in den Mund wie eine große Traube.
Bei diesem Anblick quiekte Ellie zwar leise, aber vernehmlich auf.
Alex wäre fast das Herz stehen geblieben. Ellie, nein, sei ruhig, sei r…
Der Junge und das Mädchen erstarrten.
Nein-nein-nein-nein … Hilflos und entsetzt wie bei einem Sturz aus großer Höhe beobachtete Alex, wie sich die Pferdeschwanzblondine aufrichtete und schnuppernd die Nase in die Luft hielt. Sie witterte nach Eindringlingen, versuchte einen Geruch auszumachen – Alex verstand die Geste auf Anhieb. Immerhin roch ja auch sie die beiden Jugendlichen, die tote Frau, das verbrannte Zelt, Ellies Angst.
Ellie und sie mussten hier weg, und zwar schleunigst. Noch war es hell genug, um den Weg zu sehen. Wenn sie einfach mit ganzer Kraft lossprintete, konnte sie es schaffen, die beiden abzuhängen. Alex hatte Ausdauer. Zwar saß ihr der Vormittag noch in den Knochen, aber Gott sei Dank lag ihre letzte Chemo Monate zurück, und sie war kräftig genug. Nur dass diese Jugendlichen Sportler gewesen waren und sich verhielten wie Tiere. Ja, wie Tiere. Vermutlich waren sie also sehr schnell, und selbst wenn Alex ihnen entwischen konnte, schaffte Ellie das bestimmt nicht.
Da merkte sie, dass ihre Hand unwillkürlich zur Glock gewandert war und den Halteriemen gelöst hatte. Konnte sie das? Bisher hatte sie nur auf Zielscheiben geschossen, nie auf etwas Lebendiges, und ihr Gewissen sträubte sich: Nein, sie sind noch fast Kinder, in meinem Alter, die kann ich doch nicht einfach erschießen.
Sie musste es nie herausfinden.
Eine Krähe rettete sie. Leichtsinnig geworden, weil seine Anwesenheit keine Reaktion hervorrief, entschloss sich der sehr große und sehr dumme Vogel, sein Glück zu versuchen. Er hüpfte zu Basketballboy, zögerte und schnappte sich dann ein scheinbar herrenloses Stück von dem leberartigen Fleisch, das auf dem Boden gelandet war.
Blitzschnell wie eine Schlange packte der Junge die Krähe am Hals. Überrascht schrie der Vogel auf, was die übrigen Krähen aufstieben ließ, der ganze Schwarm eine krächzende schwarze Masse. Das lenkte die Aufmerksamkeit der Pferdeschwanzblondine auf den Jungen, der mit dem zappelnden Vogel kämpfte. Die Krähe war stark, sie wand sich und hackte dem Jungen mit den Krallen ins Gesicht. Vor Schmerz knurrend ließ Basketballboy sie los, und sie taumelte in einer Wolke ausgerissener Federn zu Boden. Ein Flügel schien gebrochen zu sein, aber sie hüpfte rasch davon und versuchte mit dem intakten Flügel schlagend in die Luft zu kommen.
Fast hätte sie es geschafft.
Da drehte sich die Pferdeschwanzblondine auf dem Absatz um und sprintete los, als wollte sie auf dem Tennisplatz einen Flugball schlagen. Sie war, das konnte Alex jetzt sehen, ungeheuer, ja irrwitzig schnell.
Der Vogel gab ein heiseres Krächzen von sich, was die Pferdeschwanzblondine zu begeisterten Juchzern hinriss.
»Lauf«, flüsterte Alex Ellie eindringlich zu. »Sieh dich nicht um. Lauf einfach immer weiter den Weg entlang und hör nicht auf zu rennen!«
Wortlos hastete Ellie los, dabei krachte das Unterholz so laut, dass Alex zusammenzuckte. Die Hand immer noch an der Glock, warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter, doch entweder übertönten die Krähenschreie Ellies Fluchtgeräusche – oder
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