Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
gashaltig wie ein überfahrenes Tier, das bereits seit mehreren Tagen in großer Hitze verwest – drehte ihr fast den Magen um und war so widerlich, dass er sich pelzig in ihrem Mund breitmachte, Zunge und Gaumen belegte. Unter ihrer Zunge sammelte sich Speichel und sie spuckte aus, aber der schlechte Geschmack blieb.
Direkt vor sich sah sie, wie Ellie in ihrem pinkfarbenen Parka unter besonders dichtem Gestrüpp hindurchkroch, und wollte sie schon rufen. Aber im gleichen Moment, in dem sie Ellie sah, bemerkte sie auch etwas anderes, das ihr die Sprache verschlug.
Denn sie konnte Ellie wieder riechen – aber auf eine Entfernung von zwanzig oder sogar dreißig Metern! Ihre Ausdünstung war stark, auch wenn sie den Tierkadavergestank nicht überdecken konnte, doch Alex stieg die gleiche Geruchsmischung wie vorher am Berg in die Nase: säuerlicher Atem und verdorbene Milch.
Angst . Ellie fürchtete sich. Nein, Ellie war zu Tode erschrocken. Ein Wirrwarr von Gerüchen lag in der Luft: Ellies Angst, der süßliche Rauchgeruch, Alex’ eigener Körpergeruch, der ein Gemisch aus Schweiß und Angst war – und der Gestank von totem Fleisch, der durch den Wald wogte wie eine graue Aschewolke.
Ellie drehte sich nicht um. Sie hatte die Hand vor den Mund geschlagen, und ihre Augen traten hervor, als sie auf etwas starrte, das sie durch das dichte Gestrüpp sah.
Was hatte Ellie da entdeckt? Irgendetwas sagte Alex, dass sie es eigentlich gar nicht wissen wollte. Ihr Reptiliengehirn brüllte ihr zu: Lauf weg, weg, weg! Aber sie konnte Ellie doch nicht einfach so zurücklassen, nicht in dieser Situation.
Langsam und vorsichtig kniete Alex sich hin, die Kälte der Erde drang durch ihre Trekkinghose. Wie versteinert starrte Ellie geradeaus. Wortlos folgte Alex dem entgeisterten Blick des Mädchens – und ihr gefror das Blut in den Adern.
Nein , dachte sie, bitte nicht. Lieber Gott, ich sehe das nicht.
14
D as Zelt war gleichzeitig verbrannt und geschmolzen. Was davon noch übrig war, hing in erkalteten, harten schwarzen Ascheklumpen an verschmorten Aluminiumstangen wie versteinerte Fleischlappen an den Fossilienrippen eines prähistorischen Dinosauriers. Ein umgekippter Kochtopf hatte eine geronnene braune Masse ausgespien, die sich über die Steine um die Feuerstelle ergossen hatte und in die Erde ringsum gesickert war. Ein Krähenschwarm hüpfte um ein paar tote Artgenossen herum, und gerade als Alex guckte, beugte sich eine vor, hackte mit ihrem tiefschwarzen Schnabel auf einen toten Specht ein und zog etwas längliches Blaues heraus, ruckte mit dem Kopf nach hinten und warf es sich blitzschnell in den Schlund.
Neben der kalten Feuerstelle saßen zwei Menschen: ein Mädchen und ein Junge. Sie war blond und trug ein taubenblaues Sweatshirt mit der Aufschrift Somerville High und dem weißen Emblem eines Tennisschlägers.
Oh mein Gott. Das Mädchen kannte sie doch. Aber woher? Genau – als sie vor ein paar Tagen angehalten hatte, um zu tanken und Tante Hannah anzurufen.
Das Mädchen war die Pferdeschwanzblondine.
Den Jungen hatte sie noch nie gesehen, obwohl er wahrscheinlich mit dem Mädchen im selben Bus gekommen war. Er war lang und dürr, fast nur Beine mit einem Kopf obendrauf. Sein Sweatshirt war hellblau und trug dieselbe Aufschrift, allerdings neben einem Basketballemblem.
In einem anderen Leben waren sie wahrscheinlich ein Pärchen und hatten allem Anschein nach ein Rendezvous – sie machten ein Picknick, die normalste Sache der Welt.
Nur dass diese jungen Leute keine Sandwiches mampften.
Da war eine Frau: ein großmütterlicher Typ, die flach auf dem Rücken lag, mit zurückgeworfenem Kopf und aufgeklapptem Mund. Daneben eine Brille an einer Umhängekette, die durch Dreck geschleift worden war. Die getrockneten Rinnsale aus Blut auf der rechten Wange ließen darauf schließen, dass sie das rechte Auge verloren hatte.
Auch ihr Hals sah nicht gut aus.
Die Haut war aufgerissen und die knorpelartige Luftröhre ragte wie ein fetter Wurm heraus. Blut – es gab eine Menge davon – war auf der Brust der Frau zu einem großen rostfarbenen Lätzchen getrocknet. Aus der Art, wie sie die Hände wölbte, schloss Alex, dass sie sich den Bauch gehalten hatte, als sie starb. Was offenbar nichts geholfen hatte, denn die dunklen Eingeweide quollen wie ein Haufen weich gekochter Spaghetti aus ihr heraus.
Der Junge und das Mädchen aßen. Das heißt, sie stopften etwas in sich hinein. Ihre Münder waren
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