Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
gemacht.«
Alex lächelte kläglich. »Sie hat bloß Angst.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Ich übrigens auch.«
»Dann sind wir schon drei.« Tom nahm ihre Hand. Die Geste war so normal, so ruhig, überhaupt keine Anmache. Sie zuckte nicht zusammen, aber ihr Herz hämmerte laut. Toms Hand war schwielig, aber warm und sein Griff fest. Seltsam, er schien in ihrem Alter zu sein, wirkte aber irgendwie älter. Vielleicht kam das durch den Krieg. »Sei nicht so streng mit dir«, sagte er. »Ohne dich wäre Ellie tot.«
»Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber du hast uns gerettet.«
»Stimmt. Aber ich hatte ein Gewehr.«
»Und wir hatten Glück.«
»Das ist schon ein großer Vorteil. Wie bei Stan und Earl.«
»Kannst du mir erzählen, was passiert ist?«
Er zögerte, dann sagte er: »Ich begreife es immer noch nicht. Nach dem … Blitz ist Stan tot umgefallen. Einfach umgefallen.«
»Du meinst, so wie Ellies …?«
Tom schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht wie ihr Großvater. Stan war kerngesund, in den Vierzigern, würde ich sagen. Könnte sein, dass er einen Herzschrittmacher hatte, aber irgendwie glaube ich das nicht. Earl war gerade fünfundsechzig geworden. Das weiß ich, weil Jim über die große Party gesprochen hat, die er für seinen Dad geben wollte, wenn er aus Afghanistan zurück sein würde.«
»Hat er geblutet?«
»Jim? Ja, aber ich und Earl auch.«
»Wie ist Earl gestorben?« Doch sie glaubte es schon zu wissen. »War es Jim?«
Mit einem Seufzer drückte Tom ihre Hand und ließ dann los. »Anfangs ging es Jim noch ganz gut, aber dann bekam er wieder Kopfschmerzen, schlimmer als vorher, und sein Gedächtnis setzte aus. Zum Beispiel wusste er am zweiten Morgen nicht mehr, wozu ein Löffel da ist. Das hat zwar nur einen Moment gedauert, aber es war richtig unheimlich, und dann war es nicht mehr nur der Löffel, sondern alles. Als wäre sein Gedächtnis völlig durchlöchert.«
Mein Gott, das klang allzu vertraut. »Wie lange hat es gedauert, bis er«, ihre Stimme stockte, »bis er sich verändert hat?«
»Am Ende des zweiten Tages wurde es die Hölle. Wir schlugen unser Lager auf, hauptsächlich weil Jim nicht mehr sprach und bloß noch vor sich hin starrte – wie Leute, die miterlebt haben, dass plötzlich eine Sprengladung hochgeht oder dass Kameraden zerfetzt werden. Kriegsneurose, Granatenschock … du weißt schon. Ich ging Wasser holen, da hörte ich die Schüsse. Als ich zurückkam, war es schon zu spät. Ich hab zweimal mit der Winchester in die Luft geballert, als ob das noch was hätte ändern können.«
Er verstummte. Sie wartete.
»Ich glaube, Earl ist gestorben, weil er gezögert hat, oder vielleicht hat er nur einfach wild drauflosgeschossen. Jim war schnell, als er noch geistig gesund war, und du hast ihn ja gesehen. Er war verrückt und schnell. Wahrscheinlich hat Earl einfach nicht begriffen, dass sein Sohn ihn angreift. Danach konnte ich nicht mir nichts, dir nichts abhauen. Ich hab die ganze Zeit gehofft, dass Jim wieder normal wird. Ihn aufzuspüren dauerte eine Weile. Er wusste, wie man untertaucht, das haben wir gelernt. Und was er auch geworden war, ein Teil von ihm war immer noch Jim . Irgendwann fand ich Tiere. Es lag auf der Hand, was mit ihnen passiert war. Du weißt, wovon ich rede?« Als Alex nickte, fuhr er fort: »Dann hörte ich Ellie und …« Er spreizte die Finger. »Den Rest kennst du.«
»Tut mir leid, dass du deinen Freund erschießen musstest.«
Er sah weg, aber sie hatte das Schimmern in seinen Augen schon gesehen. »Weißt du, was ich nicht kapiere? Warum nicht ich oder Earl? Warum ist Stan gestorben? Und warum hat es nur Jim erwischt, ausgerechnet ihn?«
»Es hat nicht nur Jim erwischt.«
»Stimmt, Ellie hat mir von den Jugendlichen erzählt. Trotzdem kapier ich’s nicht.«
»Vielleicht hat es mit dem Alter zu tun.«
»Wie kommst du darauf?«
Die Idee war ihr gerade erst gekommen, sie wusste selbst nicht genau, weshalb. »Ich bin siebzehn, fast achtzehn. Du bist …«
»Zwanzig. Im Dezember werd ich einundzwanzig.«
»Diese hirntoten Jugendlichen waren auch in unserem Alter. War Jim älter oder jünger als du?«
Er dachte nach. »Älter, aber höchstens ein paar Jahre. Vielleicht … vierundzwanzig, fünfundzwanzig?«
»Was, wenn älter sein heißt, dass die Verwandlung später einsetzt?«
»Könnte sein.« Er kratzte sich am Kopf. »Das erklärt aber nicht, warum Stan gestorben ist. Und du und ich sind jünger als
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