Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
guckte so angestrengt, um – draußen oder im Haus – irgendwelche Anzeichen von Bewegung zu entdecken, dass sie das Gefühl hatte, die Augen würden ihr gleich aus den Höhlen springen.
»Alex?«
Sie behielt Tom im Auge, der gerade mit einigem Abstand zu der Flutwelle aus gelbem Licht, die sich auf den Felsen ergoss, Richtung Garage spurtete. »Was?«
»Es tut mir leid.«
»Was denn?«
»Dass ich gesagt habe, dass du nervst. Ich meine, du nervst schon manchmal.«
»Da redet wohl der Topf über den Tiegel.«
»Was?«
»Schon gut.« Alex drehte sich um und grinste Ellie an, was das Mädchen im Dunkeln wahrscheinlich gar nicht sehen konnte. »Ist okay.«
»Ich wollte nur nicht allein sein … ach, schau, da ist er!«
Tom tauchte links von ihnen aus dem Dunkel auf. Er lief geduckt, den Kopf tief unter Fensterhöhe. Mina war nur ein Schatten, der unter dem Fenster links außen vorüberglitt. Alex beobachtete, wie Tom kurz ins Haus spähte und dann wieder in gebückter Haltung weiter zur Eingangstür huschte. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, wartete sie auf einen Pistolenknall. Doch nichts. Eine Sekunde später verschwanden Herr und Hund im Haus. Jetzt konnte sie deutlich sehen, wie Tom in den Raum zu seiner Linken trat, kurz stehen blieb und die Bücher betrachtete. Er bückte sich, und Billy Joels Stimme erstarb, nun war nur noch das Geräusch des Generators zu hören. Noch eine Minute – die sich anfühlte wie zwanzig – und Tom erschien mit Mina als dunkler Silhouette im Eingang. Er winkte.
»Gehen wir«, sagte sie zu Ellie, hielt sie aber dann, als Ellie vorstürmen wollte, mit einem Griff um die Taille zurück. »Ich zuerst.«
»Warum?«
Alex hörte förmlich, wie Ellie die Augen verdrehte, aber ihr war es ernst. »Weil ich nerve, und falls Tom etwas übersehen hat, müssen sie erst an mir vorbei, bevor sie an dich rankommen.«
Die Station war verlassen, das Haus ausgekühlt. »Aber wer immer hier war, ist überstürzt aufgebrochen«, stellte Tom fest und deutete auf den Kaffeetisch. Neben den Büchern standen zwei Teller mit angetrockneten Spaghetti und drei halb volle Kaffeetassen. In der Ecke ein rot gestrichener, hölzerner Kleiderständer mit zwei Lammfelljacken – eine für Männer Größe M, eine für Frauen Größe S – und einem khakifarbenen Rangerhut. Vor dem steingefassten Kamin lag ein runder Häkelteppich, in der grauen Asche steckten die angekohlten Reste von mehreren Scheiten.
»Junge, Junge, waren die unordentlich«, meinte Ellie.
»Wo sind sie hin? Und warum? Ich kapier das nicht.« Alex war unbehaglich zumute, ihre Haut kribbelte vor Angst. In der Hütte roch es nach allem Möglichen: verdorbenes Essen, Holzasche, Spülmittel, der metallisch scharfe Geruch von hereingetragenem Schmutz, sogar ein Hauch von Pfefferminzkaugummi, der wahrscheinlich in einer der Jacken steckte. Aber es roch nicht nach toten Tieren, nirgends Verwesungsgestank, das war gut. Dennoch war die Sache komisch. Sie sah ein Regal voller Taschenbücher und daneben einen alten Plattenspieler mit Lautsprechern auf einem wackligen Kiefertisch. Nachdem sie sich nächtelang mit Taschenlampen und dem Schein des Lagerfeuers beholfen hatten, war das künstliche Licht zu hell, zu aggressiv, es tat in den Augen weh. Der Generator gab inzwischen nur noch ein gedämpftes Stottern von sich. »Das Essen ist alt, aber der Generator läuft noch. Wofür liefert er noch Strom außer für die Lampen?«
»Für nicht viel.« Als Tom sich umdrehte, quietschten die Dielen. »Der Kühlschrank, so viel ich sehe. Der Plattenspieler. In der Küche steht ein Fernseher, also haben sie vermutlich eine Satellitenantenne auf dem Dach. Spielt aber keine Rolle, die wird eh nicht funktionieren. In der Küche gibt es einen Holzofen – ein uralter gusseiserner Herd – und eine Handpumpe für Wasser. Weder Toiletten noch Duschen. Vermutlich gibt es ein Klohäuschen.«
»Keine Dusche?«, fragte Ellie bestürzt.
»Nur ein Holzbottich in der Küche neben dem Herd und ein großer alter Schwamm. Kopf hoch, Kleine. Die Amish People machen es auch nicht anders. Wetten, die Leute da oben bei Oren machen’s bestimmt auch grade so.«
»Ich bin aber keine Amische, und wir sind nicht in Oren«, beschwerte sich Ellie.
»Wie steht’s mit Wärme?«, fragte Alex. »Heizgeräte verbrauchen eine Menge Strom.«
»Stimmt, ein guter Gedanke. In den Schlafzimmern sind keine Kamine, aber es gibt Steckdosen. Also müssen irgendwo tragbare Heizöfen sein.
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