Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
stand die Welt in Flammen. Oder wenigstens das halbe Land, das reichte ja auch. »Jetzt erinnere ich mich. Wir haben in Weltgeschichte den Krakatau durchgenommen. Nach dem Ausbruch des Vulkans waren die Sonnenuntergänge blutrot, und der Mond erschien blau und grün wegen all der Asche in der Luft. Unser Lehrer hat gesagt, dass Munch den Himmel auf seinem Gemälde Der Schrei so rot gemalt hat, weil er ihn direkt nach dem Ausbruch des Krakatau tatsächlich so gesehen hat.« Sie schaute Tom an. »Jetzt ist es genauso, oder?«
»Wenn das, was wir gehört haben, stimmt.«
»Was denn sonst? Mensch, Tom, ich bin kein Ingenieur und sogar ich kapier’s. Die Energieversorgung und die Kommunikationswege werden mit ein paar E-Bomben lahmgelegt. Bumm. Kein Strom, nichts funktioniert. Der Engländer hat gesagt, es gebe genug davon, um jedes Land der Erde fertigzumachen.«
»Aber es könnten auch nur Gerüchte sein. Menschen geraten schnell in Panik. Ohne Satelliten hat man keinen Überblick.«
»Und die sind weg. Du bist derjenige, der gesagt hat, dass so etwas passieren würde. Und das heißt, es gibt auch keine Raumstation mehr. Ohne Computer können sie nicht zurück, und da oben geht auch nichts mehr. Also sind sie inzwischen entweder erstickt oder erfroren und drehen jetzt in dieser großen toten Blechbüchse ihre Runden, bis sie irgendwann aus der Umlaufbahn geraten und in der Erdatmosphäre verglühen.«
»Es kann sein, dass es nicht überall so ist«, widersprach Tom hartnäckig. »Wir haben nur fünf Funker gehört.«
»Wir hatten Glück, dass wir wenigstens die empfangen konnten. Außerdem hast du schon vor Tagen an so etwas gedacht. Wie hast du es genannt? Beiderseitige Bereitschaft zum Gegenschlag? Du hattest recht, schön für dich.«
»Du weißt genau, dass ich nicht recht haben wollte.«
»Kann sein, aber he«, Alex lachte freudlos, »du hattest richtig getippt.«
»Nicht in allen Punkten.« Im Licht der Campinglaterne war Toms Gesicht aschfahl. Sein Mund war ein schwarzer Strich. »Ich habe nicht an E-Bomben und den Angriff auf Atommülldeponien gedacht.«
»Atomexplosion gratis inbegriffen.«
»Nein, die Deponien würden nicht hochgehen wie eine Bombe.«
»Wo ist der Unterschied? Du bist nicht der einzige Freak im Universum. Ich hatte einen merkwürdigen Physiklehrer, der es mit dem Weltuntergang hatte. Außerdem ist es nicht so schwer zu begreifen. Man zündet Bomben über den Deponien, das Wasser, das die abgebrannten Brennstäbe kühlt, verdampft, die Brennstäbe schmelzen und setzen radioaktiven Dampf frei, und dann bums! Genau wie in Tschernobyl. Weißt du, wie schnell dort die Kernschmelze eingetreten ist?«
»Nein.«
»Nur ein paar Sekunden, nachdem sie eine Schnellabschaltung versucht hatten.« Ihre Augen taten weh und Panik loderte in ihrer Brust. »Wie gesagt, er war ein Freak. Wir haben uns tagelang mit Tschernobyl beschäftigt. Es dauerte vierzig Sekunden, bis die Temperatur hochschoss und radioaktiver Dampf den ersten Reaktor in die Luft jagte. Vierzig Sekunden. Es brannte wochenlang, dadurch wurde noch mehr Strahlung freigesetzt. Und genau das passiert da draußen: immer und immer wieder, nur dass die Zerstörung tausendfach schlimmer ist, weil die Deponien größer sind. Komm schon. Du bist der Explosionsexperte, du weißt über Feuerstürme und Druckwellen nach Nuklearexplosionen Bescheid. Alles schmilzt oder verdampft, und das ist nur der erste Tag.«
»Alex …«
»Denn ohne Strom ist es unmöglich, die noch vorhandenen Reaktoren zu kühlen, oder die Brennstäbe der Anlagen, die nicht getroffen wurden …«
»Alex, beruhig dich.«
»Das heißt, die gehen auch hoch: Jedes Kraftwerk und jede Atommülldeponie im ganzen Land, auf der ganzen Welt, überall.«
»He. Hör auf.« Er war von seinem Stuhl aufgesprungen. »Das bringt nichts.«
»Ist mir egal! Der Mond ist grün, Tom, er ist grün !« Sie hatte den Eindruck, dass sie schrie, die Worte schnitten wie Rasierklingen in ihren Hals, aber in Wirklichkeit drang nur ein gequältes Keuchen aus ihrer Kehle. »Die Welt geht unter! Die Luft ist voller Schmutz und Dreck und Staub, und die Leute sind tot, sie sind einfach tot umgefallen, als die E-Bomben hochgingen, und wer noch nicht tot ist, stirbt demnächst. Sie werden verhungern oder die Strahlenkrankheit kriegen oder einander umbringen, und was ist mit diesen Jugendlichen? Und Jim? Wir wissen immer noch nicht, was mit denen passiert ist, oder ob sich noch mehr Menschen
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