Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Sicht. Tom sah Weller an und fuhr fort: »Das ist kein Roman oder Film, wo man von Stadt zu Stadt ziehen kann, um zu plündern. Irgendwann wird alles zur Neige gehen. Und schau dir zum Beispiel Jasper an: Er ist schlau genug, um Thermitbomben zu basteln, hat aber keine Ahnung, wie man ein Feld bestellt, jagt, sich warm hält oder ein Haus baut, das nicht gleich wieder einstürzt. Wir müssen diesen Kindern helfen, sich aufs Leben vorzubereiten.«
Würde das nicht auch bedeuten, Alex zu vergessen? Wenn er seine Worte ernst meinte, musste er sich von der Idee verabschieden, sie zu suchen. Doch das wollte er nicht. Diese Kinder in seine Obhut zu nehmen, würde seinen Schmerz nicht annähernd stillen. Aber Luke war zu ihm gekommen. Cindi war jeden Tag mit Skiern zu dieser Kirche gefahren, um bei ihm zu sein. Er konnte sie nicht im Stich lassen. Und ja, er hatte immer noch Angst, nach Rule zu gehen. Vor dem, was er tun würde, wenn er jemals Chris Prentiss gegenüberstand.
»Dagegen ist nichts zu sagen«, meinte Weller. »Hast du schon eine Idee, wo?«
»Ja.« Mit Alex hatte er immer zu Jeds Hütte, einen Steinwurf von der Michipicoten-Insel entfernt, gehen wollen. Aber mit dreißig Kindern kam das nicht infrage. Von den begrenzten Ressourcen einer Insel mal abgesehen, wäre es allein schon ein enormes Unterfangen, sie überhaupt alle dort hinzubringen. Die Idee einer größeren Insel gefiel ihm aber durchaus. »Wir gehen nach Westen oder Norden und halten uns von Rule fern.«
»Im Norden ist nicht viel außer dem Waucamaw«, meinte Weller, den Blick unverwandt geradeaus gerichtet.
»Es gibt Oren und westlich davon noch eine Amish-Siedlung. Das sind doch Farmer, oder? Ackerland ist genau das, was wir brauchen.«
»Saatgut aufzutreiben, wird schwierig werden«, überlegte Weller. »Und dann genug anzubauen, um alle Kinder satt zu kriegen, und zu lernen, Vorräte für den Winter anzulegen … «
»Hart wird es werden«, erwiderte Tom. »Das ist mir klar. Aber irgendwann müssen wir es tun, und der beste Zeitpunkt wäre jetzt. Die Anbauperiode hier oben ist kurz. Je länger wir warten, umso schwieriger wird es, und im Handumdrehen ist es wieder Winter. Soviel ich weiß, gibt es immer noch Vieh – und Pferde. Wir müssen diese Tiere finden, bevor sie sterben oder so verwildert sind, dass wir sie nicht mehr einfangen können.«
Weller legte die Hand an den Mund, als würde er jedes Wort gründlich abwägen, bevor er es aussprach. »Mag sein«, begann er. »Aber die Amish … falls noch welche am Leben sind, die bleiben doch lieber unter sich. Mit Fremden wollen sie nichts zu tun haben … « Weller runzelte die Stirn, richtete sich plötzlich im Sattel auf und reckte den Hals. »Tom … siehst du das Pferd dort? Da oben bei der Kirche?«
Tom richtete den Blick auf die Wegbiegung vor ihnen, soeben kam die Kirche auf dem kahlen Hügel wieder in Sicht. Es waren noch fünfhundert Meter bis dorthin, aber er konnte bereits eine Schneefläche hinter der Kirche ausmachen, wahrscheinlich ein Parkplatz. Davor war der Schnee von Pferdehufen, Skiern und Stiefeln platt getreten. Der Fahrradständer, bei dem Tom die Pferde gesehen hatte, befand sich rechts von der Steintreppe und war gerade nur zu einem kleinen Teil zu sehen.
Ebenso wie das einzelne Pferd, das im Schatten auf dem Boden lag. Tom wollte gerade bemerken, dass Pferde manchmal so still dalagen, dass man meinen konnte, sie wären tot.
Doch dann sah er das Blut.
26
» W as hältst du davon?« Jasper, ohnehin ein Zappelphilipp, bebte vor Aufregung. Er löste die Klammern einer Aluminiumschüssel, die über einem Sandeimer befestigt war, und hielt sie sich vor die Augen. »Ziemlich cool, was?«
»Mhm.« Luke sah eines von Jaspers Augen blau durch das Loch in der Schüssel schimmern. Er hatte Thermit noch nie abbrennen sehen und staunte, wie hoch der Funkenregen geflogen war, fast zwei Meter. Die Feuersäule war noch höher und so hell gewesen, dass er die Augen abschirmen musste.
Aber wo steckte Tom? Luke war sein finsterer Blick nicht entgangen, und wie wütend Tom gewesen war. Was ihn allerdings überrascht hatte, war, dass Tom nicht dageblieben war, um diesen Irrsinn zu stoppen, sondern auf dem Absatz kehrt gemacht hatte und auf seinem Pferd Richtung Kirche davongestürmt war, gefolgt von Weller. Jetzt, eine Stunde später, war noch keiner von beiden zurück.
Kein gutes Zeichen.
»Ja, war okay«, sagte er zu Jasper, der von einem Bein aufs andere
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