Ashes to Ashes (German Edition)
vorher auch nur ein Wort zu sagen. Es war stockfinster in unserer Schlafkammer,
als er an mein Bett kam. Ich hörte nicht einmal seine Schritte, weil der Regen
von draußen so laut gegen die Hauswand schlug. Und zuerst nahm ich an, dass
alles nur ein Traum wäre.
Ich schloss die Augen und schlug sie wieder auf.
Jedes Mal umfing mich nur die Dunkelheit der Nacht und die Botschaft meines
Vaters.
Und ich glaubte zu ersticken.
Am nächsten Morgen brachen wir auf. Mutter
weinte, als sie mir zum Abschied durchs Haar strich und Vater schob mich unsanft
zur Tür hinaus, als hätte er sein Leben lang nur darauf gewartet, mich endlich
abgeben zu können.
Ich weiß noch, dass mir ganz schlecht wurde, je
näher wir dem Hof kamen und irgendwann konnte ich es nicht mehr aushalten und
bin vom Wagen gesprungen. Ich war schwach und ich… rannte!“
„Aber…“
„Als ich vor eurem Haus stand… und weiß Gott, es
war wirklich nur ein Lebewohl, das ich sagen wollte, kam dein Vater auf mich
zu.“
„Mein Vater?“
„Er hat nichts begriffen. Alle haben sie nichts
begriffen und ich… versuchte mich gar nicht erst gegen seine Griffe zu wehren.
Vater wartete bereits auf mich. Woher er wusste, dass ich… aber das ist egal.
Bis heute ist mir verborgen geblieben, dass unsere Väter jemals Freundschaft
verband. Aber als es darum ging, mich los zu werden, hielten sie sich wohl für
Verbündete!“
Bitter zuckte er mit den Schultern und warf
Carol einen entschuldigenden Blick zu.
„Das… wusste ich… nicht“, stotterte sie ihm
gebrochen entgegen, die Hand an den Mund führend. „Vater hat darüber nie ein
Wort verloren!“
„Es ist lange her… Am Hof blieb mir dann keine
Zeit mehr, mir die Gedanken zu zermartern. Vielleicht hat Vater es damals nur
gut gemeint. Er wusste, wie schwer mir der Abschied fallen würde und hat es also
kurz und schmerzlos gemacht. Dafür sollte ich ihm wohl dankbar sein!“
„Dass dein Vater dich loswerden wollte, glaube
ich nicht! Ich kenne ihn nur als gewissenhaften und friedfertigen Mann! Er hat
immer gelacht, wenn ich ihn sah! Und nun schau dich an! Du musst selbst zugeben,
dass dir das Leben am Hof nicht zum Nachteil gereicht hat! Aus dir ist ein Mann
geworden! Die Frauen müssen dir doch zu Füßen liegen…?“
Duncan antwortete auf diese Feststellung mit
einem kleinen Schmunzeln, das Carol aus den Augenwinkeln heraus beobachtete.
Wahrhaftig! Duncan war zum Mann gereift! Nur das
außergewöhnlich intensive Grün seiner Augen war es gewesen, das sie an den
Jungen von damals erinnert hatte … und die fein geschnittenen, doch markanten
Gesichtszüge, die sich im Laufe der Jahre zu dem Gesicht eines erwachsenen
Mannes ausdefiniert hatten.
Flüchtig huschten Carols Augen über Duncans’
Hals, verharrten auf den Erhebungen seiner Schlüsselbeine, dort, wo der Umhang,
den er trug, seinen Körper frei gab.
Unter dem weiten Stoff konnte sie seine
Muskulatur nur erahnen, aber aufmerksam erkannte sie, wie sich jede Sehne seines
Körpers bei seinen Bewegungen straffte und durchaus sehr verführerisch auf sie
wirkte. Männlich und… fest.
- So, wie ihr eigener Mann niemals gewesen war.
Schon seit sie sich das erste Mal begegnet waren, trug dieser die Statur eines
Gastwirts. Sein Körper hatte nie die Strapazen erfahren, die es kostete, ein
Schwert zu führen.
Und im Grunde war es Carol auch egal gewesen.
Bill war ein aufrichtiger Kerl, ein guter Vater
und liebevoll… zu ihr.
Sie hätte auch niemals mit der Angst leben
wollen, ihrem Mann ein letztes Lebewohl sagen zu müssen, bevor er in den Krieg
zog und vielleicht nie wieder daraus zurückkehrte.
All diese Gedanken huschten ihr durch den Kopf
und so blinzelte sie benommen, als sie plötzlich vor der Tür des ‚Gelben
Kleeblatts’ standen, wo sie es doch noch in so großer Entfernung wähnte.
„Drüben ist unser Stall! Dort könnt ihr die
Pferde unterstellen! Und dann lasst euch willkommen heißen und genießt den Abend
bei uns! Ich werde sehen, was ich an Zimmern arrangieren kann!“
„Nur keine zu großen Umstände, Lady! Einige von
uns werden die Nacht dazu nutzen, sich ein wenig in Wellms umzusehen…“, raunte
Julian der jungen Frau zu, das Gesicht überschattet von gelben Lichtfetzen, die
durch die Ritzen und Fenster der Gaststube drangen und die die Grübchen in
seinen Mundwinkeln hervortreten ließen.
„Ihr seid im Auftrag des Königs unterwegs,
Männer!
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